Kommentar

Weltbild im Herbst

Irgendwie rinnt einem die Zeit durch die Finger. Zumindest ich hab‘ so das Gefühl. Der Sommer hatte keine Zeit, sich zu verabschieden und der Herbst keine, sich anzukündigen. Der eine war so plötzlich weg wie der andere da. Hoffen können wir ja immer noch auf einen milden Winter und darauf, dass wir unter dem Christbaum auch noch was anderes finden außer einer Stromrechnung.
Die Russen haben den Krieg noch immer nicht beendet und werden das, solange Putin an der Macht ist, nicht tun. Mobilmachung bedeutet den weiteren Tod von Hunderten, wenn nicht gar Tausenden Menschen, deren Krieg es nicht ist, und die mit Todesangst zu Bett gehen, so sie eines haben. Es ist unglaublich und für einen Menschen mit einem natürlichen Rechtsempfinden nicht nachvollziehbar, was in den Gehirnen mancher Despoten vorgeht und vor allem, wie sie es schaffen, über so lange Zeit unbeschadet an der Macht zu bleiben. Aber die Mauer bröckelt und Putin ist angezählt. Hoffe ich, nicht nur des Gases- und Ölpreises wegen, sondern wegen all dem Leid, das er über die Ukraine und sein Land bringt. Vielleicht gibt es ja in Russland einen strengen Winter, denn der hat so manchen Krieg in diesem Land beendet.

Dann stirbt auch noch die Queen. Jemand, der da war, solange ich beim Friseur im „Goldenen Blatt“ und in der „Frau im Spiegel“ geblättert habe. Eigentlich eine Wegbegleiterin nicht nur von allen Briten, sondern von allen, die das Leben von ihr und ihrer Familie über Jahrzehnte verfolgt haben. Charles, der übrigens ein cleverer Mann ist, sein Unglück mit Diana, das Leben und Scheitern seiner Brüder, die Exzesse von Prinzessin Margaret und jetzt die nächste und übernächste Generation, deren Leben weltweit verfolgt wird. Ob so was noch zeitgemäß ist, kann ich nicht sagen, aber wer einmal in England war, weiß über die wirtschaftliche Bedeutung, allein von Seiten des Tourismus her. Fleißig sind sie auch. In der London Times wird jeden Tag veröffentlicht, welche Termine die Königliche Familie wahrnimmt. Am fleißigsten ist übrigens Prinzessin Anne. Die Engländer halten ihre Traditionen hoch, keine Ahnung warum, aber offensichtlich brauchen sie das für ihren Nationalstolz. Allein das Begräbnis soll Milliarden gekostet haben. Das hat ja auch wirklich was hergegeben. All die Uniformen und Orden und Fahnen und festgelegten Riten. Wenn das unsere Weinritter gesehen haben! Gibt schon was her fürs Auge so eine Monarchie.

Nicht beneiden tu ich unsere Bürgermeister. Denn letztendlich steht der ländliche Raum, den sie zu verwalten haben, auf dem Spiel. In unseren – zwar kleinen, aber doch – Städten entsteht ein Wohnblock nach dem anderen, eine Reihenhaussiedlung neben der nächsten. Warum? Die Dörfer sterben, die Jungen wollen auf eine gesunde Infrastruktur nicht verzichten. Die findet man nicht mehr. Kein Geschäft, kein Gasthaus. Fleischer und Bäcker haben längst w.o. gegeben und wenn nicht, dann tun sie es ob der horrenden Energiepreise bald. Das bisschen, was noch da ist, gilt es zu erhalten. Das Vereinsleben zu fördern, den Stolz auf die Gemeinde. Die Kinder ins Dorfleben einbinden. Spielplätze, Kinderbetreuung. Sich um einen Pächter für das Gasthaus kümmern. Keine unnötigen Industriezentren am Ortsrand genehmigen. Den Supermarkt, wenn er schon in die Gemeinde will, im Ort und nicht außerhalb ansiedeln. Es muss doch noch möglich sein, ohne Auto seine Grundbedürfnisse abzudecken. Keine leichten Aufgaben für einen Bürgermeister, aber welche, die dem Hierbleiben einen Sinn geben.

Weniger Asphalt, mehr Grün. Wir haben wirklich genug versiegelt in diesem Land. Wir befinden uns in einer Zeitenwende und der kann man nicht davonlaufen. Der muss man sich stellen. Es sind nicht die Russen allein, die an allem schuld sind. Wir haben wider besseren Wissens die Zukunft verschlafen und werden schön langsam munter. Wenn wir aber nicht bald aufhören, immer mehr auf Kosten der Natur zu produzieren und nicht aufhören sie auszubeuten, wird es bald nichts mehr geben, weil die Rohstoffe erschöpft sind. Die meisten innerhalb der nächsten 20 Jahre. Irgendwann sind die Gletscher geschmolzen, das ewige Eis aufgetaut und die Menschen im Krieg um alles, was es noch gibt. Rohstoffe, Lebensmittel und Wasser. Die meisten von uns werden das nicht mehr erleben. Die Ausläufer dessen haben uns allerdings schon erreicht.

Vielleicht finden wir ja unser Glück außerhalb der Konsumtempel. In der Stille jeden Morgens. Dem greifbaren Band der Freundschaft. Einer Schneeballschlacht. Warmem Wasser auf der Haut. Lachen, bis man Bauchschmerzen bekommt. Einem gut erledigten Auftrag. Einer Sternschnuppe, die nur du alleine siehst. Die einfachsten Freuden sind die großartigsten. Freude ist nicht kompliziert.
Viel Pessimismus in meinem Text stimmt. Es wäre mir auch lieber, ich hätte im Moment ein anderes Weltbild parat. Vielleicht wird’s ja noch. Lassen Sie sich auf keinen Fall von Populisten und Rattenfängern in Angst versetzen. Glauben Sie an das Gute, an die Wissen- schaft und an die, die was tun und nicht nur kritisieren.

Genießen Sie den Herbst, den jungen Wein, gebratene Kastanien, ein offenes Feuer und vergessen Sie nicht auf Ihre Freunde. Passen Sie auf sich auf!

Ihr Feri Tschank


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