Porträt

Der Umweg ist das Ziel

Willy Puchner hat auf seinen Reisen drei mal die Welt umrundet. Heute weiß er, man muss in keinen Flieger steigen, um zu reisen. Der 70-jährige Künstler, der als freiberuflicher Fotograf, Autor und Zeichner bekannt ist, hat sich letztes Jahr dazu entschlossen, in seinem alten Bauernhaus in Oberschützen zu residieren, zusammen mit seinem Kater Tiger.

(c) Willy Puchner

Aus dem Buch von Willy Puchner „Mein Kater Tiger“, erschienen im G&G Verlag

 

 

„Eigentlich wollte ich gar nicht so lange bleiben”, sagt Willy Puchner und lässt den Blick aus dem Panoramafenster seines Wohnzimmers schweifen. „Im Corona-Lockdown war hier mein Rückzugsort von Wien, allerdings habe ich irgendwann gemerkt, dass es mir hier immer besser gefällt als in der Großstadt. Und auch meinem Kater tut es gut.” 

Elementare Sehnsucht 

Das zurückgezogene Leben ist für den Künstler und Freelancer Willy Puchner allerdings eine Neuheit. Denn viele Jahre seines Lebens hat er auf Reisen verbracht, als freiberuflicher Fotograf. Mit dem Projekt „Die Sehnsucht der Pinguine” ist er in der Künstlerbranche bekannt geworden. Dabei hat er zwei Pinguine aus Polyesterharz auf den besuchten Reiseorten als Urlaubspaar inszeniert. „Jeder hat diese elementare Sehnsucht in sich, verliebt zu sein und mit dieser Person in der Fremde zu sein”, beschreibt er seinen Zugang zu diesem Kunstprojekt, für das er vier Jahre um die ganze Welt gereist ist. 

Lebenskünstler 

Lange bevor es den Begriff „Freelancer” in unseren Breiten gab, wusste Willy Puchner bereits, dass er einer werden möchte. „Zum Glück hat mich meine Mutter dabei unterstützt”, lacht er und gesteht, dass seine wenigen Versuche, einen „herkömmlichen” Job auszuüben, wie zum Beispiel als Lehrer, nicht von langer Dauer waren. „Das Nine to Five, das konnte ich nie so gut”, sagt der Lebenskünstler. 

Inneres Kind 

Und so hat er es geschafft, sein ganzes Leben als Fotograf, Autor zahlreicher Bücher, Zeitungsglossen und Publikationen sowie als Zeichner zu gestalten, der vor allem eine Eigenschaft in sich trägt: Sein inneres Kind immer am Leben zu erhalten. Und die Phantasie zuzulassen. 

Die Inspiration zu seinen Werken kommt meist im Traum, beziehungsweise im Halbschlaf. „Ich lass’ die andere Welt des Absurden und Abstrakten in meinem Leben zu. Ich habe meine Phantasie gezügelt und habe sie unter Kontrolle. Die Gedanken, die ganz tief aus dem Unterbewusstsein oder sogar aus der Kindheit kommen, die akzeptier’ ich für mein Leben. Die meisten Erwachsenen müssen bestimmte Anpassungen im Leben machen. Mein kreativer, inspirativer Impuls kommt einfach durch die Offenheit. Ich mag zum Beispiel auch nicht den Satz ‚Der Weg ist das Ziel‘, sondern für mich ist der ‚Umweg das Ziel’. Weil man da darüber hinaus viel weiter kommt”, verrät Willy Puchner seinen Zugang zur Kunst. 

Wissensdurst und Neugier 

Und nun genießt der 70-Jährige das Leben am Land in allen Zügen. 17 Bücher habe er in den letzten zehn Wochen gelesen, wie besessen, schildert er und lacht. Dazwischen geht er bei ausgedehnten Spaziergängen rund um Oberschützen auf seine Entdeckungsreisen. Denn für das Reisen brauche er inzwischen keinen Flieger mehr. Und seine Maxime ist das Lernen. Er wird nicht müde, neue Dinge auszuprobieren. So findet man ihn auch im Kochkurs, immer auf der Suche nach Anregungen. Und sein Lieblingsplatz ist derzeit neben seinem Hochsitz im Garten, auf dem er bei der malerischen Aussicht die Gedanken fließen lässt, die Nähmaschine im Atelier, wo er aus seinen Ideen mit Naturmaterialien und Stoff kleine Kunstwerke schafft. Stets beobachtet von seinem geliebten Kater Tiger, dem er auch mit seinen charakteristischen Illustrationen ein Buch gewidmet hat. 


Willy Puchner

geboren am 15. März 1952, wuchs in der niederösterreichischen Bezirkshauptstadt Mistelbach als Sohn eines Fotografenehepaars auf. Von 1967 bis 1974 besuchte er die Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, Abteilung Fotografie. Seit 1978 ist er freischaffender Fotograf, Zeichner, Künstler und Autor. Von 1983 bis 1988 studierte er Philosophie, Publizistik, Geschichte und Soziologie.

Berühmt wurde Willy Puchner mit dem Projekt „Die Sehnsucht der Pinguine“. Er reiste mit den Polyester-Pinguin-Figuren Joe & Sally vier Jahre lang ans Meer und in die Wüste, nach New York, Sydney, Peking und Paris, nach Venedig, Tokio, Honolulu und Kairo, um sie dort im Bild festzuhalten.

Seine gezeichneten und handgeschriebenen (Reise-)Materialbücher, erschienen als Tagebuch der Natur (2001) und Illustriertes Fernweh (2006), sind „eine ruhelose Vermessung der Welt“, vielleicht auch der Wunsch, seinen eigenen Platz im Koordinatensystem des Globus zu finden.

Willy Puchner arbeitete viel mit alten Menschen, dabei entstanden die Projekte Die 90-jährigen, Dialog mit dem Alter, Die 100-Jährigen, Lebensgeschichte und Fotografie und Liebe im Alter.

Willy Puchner ist Gewinner des Österreichischen Kunstpreises 2022 in der Sparte Kinder- und Jugendliteratur. Seine Materialbücher seien „kunstvolle Wunderkammern voller Eindrücke und Geschichten, die dazu anregen, die eigenen Wunderwelten und sich selbst in ihnen zu entdecken“, so die Jury.

4. November:

Vortrag von Willy Puchner Oberschützen Buchhandlung „Büchertraum“


Nach seinen zahlreichen und jahrelangen Reisen ist Willy Puchner nun in Oberschützen angekommen. Ruhig ist es um den 70-Jährigen aber trotzdem nicht geworden.

Nähen gehört zur neuen Leidenschaft von Willy Puchner, der seine künstlerische Ader immer wieder neu herausfordern möchte. Für seine Kunstwerke ist er auf der Suche nach alten Nähgarnen.



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