Porträt

„Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung…“

Piet Cortie ist gebürtiger Niederländer und als solcher ist ihm das Radfahren praktisch in die Wiege gelegt. Seit 20 Jahren lebt er in Spitzzicken im Südburgenland und auch hier ist er hauptsächlich mit dem Fahrrad unterwegs. Warum er seit 52 Jahren mit Freude in die Pedale tritt und was Österreich noch an Radfahrkultur zu lernen hat – prima! hat ihn besucht.

© Nicole Mühl

Der gebürtige Holländer Piet Cortie lebt seit über 20 Jahren in Spitzzicken im Südburgenland. Wenn seine Mutter (82!) auf Besuch kommt, ist eine Radtour fix am Programm.

 

Mitunter die schönsten Erlebnisse im Leben hat Piet Cortie seinem Fahrrad zu verdanken. Mit seiner Mutter hat er vor ein paar Jahren die Paradiesroute im Südburgenland absolviert. 260 Kilometer in drei Tagen. „Das war eine schöne Erfahrung, die wir miteinander erlebt haben. Meine Mutter war zu der Zeit schon Mitte 70, aber für uns Holländer ist das Radfahren eine Selbstverständlichkeit und eine Freude. Beim Radfahren nimmt man seine Umwelt besser wahr und fühlt sich mit der Natur verbunden. Diese besonderen Augenblicke mit meiner Mutter zu erleben, bedeutet mir sehr viel“, erinnert sich Piet mit einem Lächeln.

Der zwei Meter große Piet Cortie wurde in den Niederlanden geboren und fährt gefühlt ein Leben lang schon Fahrrad. „Sobald man laufen konnte, wurde man aufs Rad mit Stützrädern gesetzt und schon ging es los“, erzählt er. Jeden Tag fuhr er 16 km in die Schule und wieder zurück. Die Infrastruktur ist darauf ausgelegt. Es ist üblicher, sich aufs Rad zu setzen als ins Auto. In Österreich ist das Gegenteil der Fall. Man muss überall mit dem Auto hinkommen, erklärt Piet. Wenn er sieht, dass Autofahrer vor einem Geschäft mehrere Runden fahren, um einen Parkplatz direkt beim Eingang zu ergattern, muss er lachen. Diese Mentalität ist ihm bis heute fremd geblieben, auch wenn er schon über 20 Jahre hier lebt. Aufs Auto greift er nur selten zurück. „Ich arbeite in Fürstenfeld als Elektriker und habe einen Firmenwagen, aber dennoch fahre ich so viel wie möglich mit dem Rad.“ In den warmen Monaten fährt er bis zu 300 Kilometer in der Woche. Selbst Schnee und Regen halten ihn nicht zurück. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung“, sagt er und schmunzelt.

Anfang 2000 kam Piet Cortie mit seiner Frau nach Österreich. Gemeinsam mit den beiden Kindern leben sie in Spitzzicken. Die Selbstverständlichkeit des Radfahrens wird in der ganzen Cortie Familie gelebt. „Für uns als Familie ist das Radfahren mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung. Wir können abschalten und entspannen“, erklärt er. Ob der Weg in die Schule, Einkäufe oder Arzttermine, Alltägliches wird auf dem Fahrrad erledigt. Der innere Schweinehund ist ihm fremd. „Ich habe keinen. Auf mein Rad zu steigen ist Gewohnheit, gar eine Selbstverständlichkeit, der ich nachgehe“, sagt er und lehnt sich entspannt in seinen Sessel.

 

Burgenland Radland Nummer eins aus Sicht eines Holländers

Damit das Burgenland der Bezeichnung als Radland Nummer eins auch gerecht werde, müsse noch einiges passieren, sagt Piet Cortie. „Das Radfahren muss zugänglicher gemacht werden und die Leute müssen umdenken. In Österreich sind die Menschen immer noch sehr eingefleischte Autofahrerinnen und Autofahrer. Für jede Kleinigkeit steigt man ins Auto“, sagt er ganz offen. Infrastrukturell müsse es praktischer und sicherer werden. „Das Minimum wäre ein farblich markierter Fahrrad-Bereich auf allen Straßen, das schafft Aufmerksamkeit und Sicherheit für Radfahrer“, zeigt er auf. Wenn man den Leuten diese Option bietet, nutzen sie in Zukunft vielleicht öfter das Fahrrad. „Ich selbst fahre Rad, weil es meinen Körper und meinen Geist fit hält und zusätzlich tue ich der Umwelt etwas Gutes. Es gibt nur Vorteile“, fasst er zusammen. Damit möchte er auch andere motivieren, das Auto ruhig mal stehen zu lassen und sich in den Sattel zu schwingen. „Man muss nicht weit in die Ferne, Burgenland ist ein Paradies, das mit dem Rad entdeckt werden muss.“ Denn nirgendwo erlebt man die Natur im Alltag so unmittelbar wie auf dem Rad.


Piet Corties Recherche: Radverkehr in den Niederlanden – von unseren Nachbarn lernen?

  • 60 Prozent Radverkehr in niederländischen Großstädten (z.B. Amsterdam, Utrecht)
  • In den 1970ern Umschwung der Verkehrspolitik nach Protesten wegen der Anzahl tödlicher Fahrradunfälle
  • Kreuzungen werden mit separaten Radwegen sicher gestaltet
  • das Fahrrad ist das schnellste und praktischste Verkehrsmittel in der Stadt
  • Begrenzter Platz in Städten wird optimal genutzt, zuerst Fußgänger-, dann Fahrrad- und zuletzt Autowege
  • Investitionen in die Fahrrad-Infrastruktur hat Priorität (eigene Parkgaragen und sichere Abstellplätze)

Der ganze Artikel auf: www.agzente.de


Piet Cortie als kleiner Junge auf seinem Fahrrad in Holland.

Mutter Wil war Mitte 70, als sie zusammen die Paradiesroute gemeistert haben. Heute ist sie 82 und immer noch begeisterte Radfahrerin.

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