40 Tonnen Freiheit
Starke Kerle, die stundenlang in ihrem Truck sitzen, wenig sprechen. So ist das Klischee von Lastwagenfahrern, das keine Fahrerinnen beinhaltet. Ein von prima! befragter Tanklasterfahrer meinte gar: „Eine Frau würde das sicher nicht packen!“. Dabei fällt durchaus der eine oder andere von einer Frau gelenkte Truck auf. Und es werden immer mehr.
(c) Olga Seus
Samii in ihrem ersten Wohnzimmer, der Führerkabine ihres Lasters
„Seit der ersten Fahrstunde war für mich klar: Lasterfahren, das ist es“, sagt Samantha R. aus der Südossteiermark, genannt Samii, mit strahlenden Augen über ihren Beruf. Dabei ist sie kein „Kerl von einer Frau“. Sie ist klein und zierlich, geschminkt, hat lange Haare und bunte, lange Nägel. Nachdem sie den CE-Führerschein, also den regulären Lasterführerschein ebenso wie den C95-Schein, der fürs gewerbliche LKW-Fahren benötigt wird, bereits mit dem B-Führer-schein mitgemacht hatte, ging es nach der Matura los. So weit, so Traumjob. Doch die ersten Monate seien mehr als hart gewesen, zieht Samii Resümee. Zunächst werden Lasterfahrer*innen zwar gesucht, aber bitte welche mit Erfahrung. „Frauen gegenüber bestehen Vorurteile, Männer werden klar bevorzugt“, sagt sie. Und dann natürlich das Fahren selbst: Bis zu 10 Stunden dürfe am Stück gefahren werden, aber die sogenannte „Einsatzzeit“ sei wesentlich länger. „Einladen, Ladung sichern, fahren, abladen, das gehört oft dazu. Und das Ein- und Ausladen, sehr häufig schwere Paletten, geschieht meist mit einem Gabelstapler oder manuellem Hubwagen.“ Nach der maximal vorgeschriebenen Einsatzzeit von 15 Stunden ist Samii oft zehn Stunden von zu Hause entfernt. „Die vorgeschriebenen 9 bis 11 Stunden Ruhezeit vergehen mit Waschen, Essen, Schlafen.“ Trucker verbringen die meiste Zeit im Laster, in dem oft auch geschlafen wird. Da bleibt nicht viel Zeit für Familie oder ein Hobby. Die Trucks sind häufig wie ein Wohnzimmer eingerichtet. Bei Samii sind „Hello Kitty“ und Rosa vorherrschend.
„Ein bisserl einen Vogel haben wir halt alle. Den brauchst auch für den Job“, ist Samiis Fazit. Dennoch fährt sie gerne und kann sich keinen anderen Job vorstellen. „Du hast deine Ruhe da oben. Und deine Freiheit. Das ist dein Laster, du organisierst das ganz allein. Du bewegst tagtäglich 40 Tonnen. Auch auf engen Straßen, überallhin. Die Leute brauchen ja die Dinge, die transportiert werden, überall. Auch da, wo die Bahn oder andere Transportmittel nicht hinkommen. Und wenn du abends aussteigst, alles ist wieder gut gegangen und du hast das allein geschafft, dann ist man durchaus auch stolz auf sich.“ Umweltfragen spielen für die ambitionierte Fahrerin, die ihren leistungsstarken Achtzylinder über alles schätzt, keine große Rolle. „Dank der für Laster sehr verschärften Euro VI Norm und AdBlue fahren wir eh recht abgasarm, sogar abgasärmer als mancher PKW.“
Tatsächlich sorgt AdBlue, das nichts anderes ist als künstlicher Harnstoff, dafür, dass die Emissionen an Stickstoffen reduziert werden. In der Reaktion mit den Schadstoffen werden diese fast vollständig umgewandelt in Wasserdampf und ungefährlichen Stickstoff. So beweist ein Versuch an der TU Graz 2021, dass die Partikelkonzentration in der Umgebungsluft um das Zehnfache höher ist als am Ende eines Auspuffs eines Euro VI-LKW. Insgesamt ist Straßenverkehr an sich aber eine Umweltbelastung durch Emissionen, Lärm, Staus. Die Prognosen sehen zudem eine Zunahme des Güterverkehrs auf den Straßen. Peter Fahrner, WKO-Obmann der Fachgruppe Güterbeförderung Steiermark und selbst Inhaber eines Transportunternehmens, erklärt dazu: „Kein einziger LKW fährt spazieren. Allein die Treibstoffkosten haben sich seit Jahresanfang verdoppelt, die Kosten für das AdBlue verzehnfacht. Natürlich versucht man da, Dinge auf die Schiene zu verlagern.“ Anja Krenn, Fachgruppengeschäftsführerin hakt ein: „Allerdings gilt das nur für den Fernverkehr. Die last mile, also die letzten 80-100 Kilometer schafft man nicht ohne LKW, denn kein Zug fährt zu einer Baustelle, nicht jeder Supermarkt oder jede Tankstelle kann einen eigenen Bahnhof haben. Dazu sind Laster schneller, alles was strikt termingebunden ist, wird auch weiterhin mit dem Laster transportiert werden müssen.“ Aus diesem Grund muss langfristig auch über alternative Energiequellen nachgedacht werden. Dabei ist bereits erwiesen, dass E-LKW gerade für lange Strecken nicht funktionieren. Aus diesem Grund gibt es neuerdings Überlegungen, verstärkt auf Wasserstoff-Antriebe, gerade im Transportwesen, zu setzen. Bereits im Juni hatte Klimaministerin Leonore Gewessler entsprechende Programme zur Umstellung auf Wasserstoff in verschiedenen Branchen vorgestellt. Sie sah dabei vor allem die Industrie als Abnehmer. Nun hat Wirtschaftsminister Martin Kocher angekündigt, dass speziell für Wasserstoff-Antriebe im Transit-Wesen ein Förderprogramm noch für dieses Jahr geplant sei, um Anreize zur Umstellung auf Nullemissions-Technologien zu schaffen.
Berufskraftfahrer
Bei der WKO sind zwei Berufe mit der Bezeichnung Berufskraftfahrer gelistet: zum einen mit Schwerpunkt Personenbeförderung, zum anderen mit Schwerpunkt Warentransport. Während ersteres bei den Frauen hoch im Kurs steht, wie sowohl Marcus Martschitsch, Inhaber der Fahrschule Easy Drivers, als auch AMS Hartberg-Leiterin Margarete Hartinger bestätigen, ist der Beruf des LKW-Lenkers nach wie vor stark männlich dominiert. „Ich würde sagen, die Verteilung liegt bei 20 Prozent Frauen zu 80 Prozent Männern“, so Martschitsch. Dabei gibt Hartinger zu bedenken, dass die Ausbildung zum Berufskraftfahrer durchaus auch im Rahmen des FiT – Frauen in Handwerk und Technik – des AMS gefördert werde. In diesem über 200 Berufe umfassenden Programm können über das ZAM-Zentrum für Ausbildungsmanagement zunächst einzelne Berufsfelder erprobt und anschließend als Lehrberuf erlernt werden. Auch Samii sieht die Qualifikation nicht am Geschlecht verankert: „Entweder dir liegt das im Blut, auch mit dem Einparken und allem Drumherum oder eben nicht.“ Peter Fahrner von der WKO sieht das Problem der Berufskraftfahrer eher in der ausländischen Konkurrenz denn im Geschlechterkampf: „Laut einer Asfinag-Umfrage waren 2021 70 Prozent der LKW, die auf österreichischen Autobahnen unterwegs waren, im Ausland zugelassen.“
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