Reportage

Das Bauen der Zukunft

Drei Jahre hat der Riedlingsdorfer Erden-Produzent SONNENERDE dieses Projekt geplant. Im Juni des heurigen Jahres wird die neue Produktionsanlage für Pflanzenkohle in Betrieb gehen. Die Halle dafür wird klimaneutral gebaut. Es ist die erste Industriehalle in Europa mit einem eigens entwickelten CO2-bindenden Zuschlagstoff im Beton und Asphalt. Das Bauen der Zukunft könnte damit in Riedlingsdorf beginnen. Ein Pionierprojekt im Klimaschutz.

Foto©Richard Dunst

Rund 13 Kilometer Kabel wurden auf dem erweiterten Betriebsgelände von SONNENERDE verlegt. „Allein die Planungsarbeiten der Firmen sind eine Meisterleistung“, sagen die SONNENERDE-Geschäftsführer Gerald und DI Dominik Dunst.

 

Die Welt ein kleines Stückchen besser machen. Das war vor 25 Jahren der Antrieb, aus dem heraus das Unternehmen SONNENERDE in Riedlingsdorf gegründet wurde. Die Vision damals war, die fruchtbarsten Erden unter der Sonne zu produzieren. Mit der ersten europaweit installierten Produktionsanlage für Pflanzenkohle ist das nach jahrelanger Forschungsarbeit gelungen. Diese Anlage ist das Herzstück, der Puls des Unternehmens. 

Heute führt Gerald Dunst den mehrfach ausgezeichneten Erde produzierenden Betrieb gemeinsam mit seinem Sohn Dominik. 

Die Produktionsanlage ist inzwischen zu klein geworden. Mit dieser werden jährlich 200 Tonnen Pflanzenkohle produziert, was eine CO2-Bindung von rund 300 Tonnen bedeutet. Die neue Anlage soll die zehnfache Kapazität an Pflanzenkohle produzieren und somit 3.000 Tonnen CO2 pro Jahr binden. Für diese Anlage wird gerade eine Industriehalle gebaut, die SONNENERDE mit ausgewählten Fachbetrieben verwirklicht. Die Bedeutung dieses Projektes ist allen Beteiligten bewusst, denn dieses Pilotprojekt könnte die Bauindustrie der Zukunft umweltfreundlich und klimaneutral verändern. Ein mutiger Schritt von SONNENERDE, denn das „Verfahren“ wird erstmals im Zuge dieses Baus angewendet. Gerald und Dominik Dunst sehen das weitaus gelassener. „Wir vertrauen der Wissenschaft und den Baufirmen, die den Gedanken der Klimaneutralität aufgefangen haben und mit uns das Ziel einer CO2-bindenden Industriehalle verwirklichen wollen. Auch hier spielt Pflanzenkohle die Hauptrolle und ist der zentrale Dreh- und Ankerpunkt.

 

Pflanzenkohle revolutioniert die Bauindustrie

Die Halle wird vorwiegend aus Holz gebaut. „Denn Holz bindet CO2“, betont Gerald Dunst. Für den Beton, der notwendig ist, hat SONNENERDE mit seiner Pflanzenkohle einen neuen Weg beschritten. 

In der Bauindustrie wird nicht von Pflanzenkohle geredet, sondern von „technischem Kohlenstoff“. Wird dieser dem Beton beigefügt, bindet er CO2. „Die Forschungsergebnisse sind enorm positiv. Es hat sich herausgestellt, dass durch die Beimengung von technischem Kohlenstoff die Rissbildung im Beton reduziert wird. Der Beton weist eine bessere Wärmedämmeigenschaft auf und er ist auch ein besserer Brandschutz“, erklärt Gerald Dunst. Wissenschaftliche Arbeiten behaupten sogar, dass Kohlenstoff beim Tunnelbau in den Beton beigemengt werden sollte. „Im Brandfall isoliert das Material besser und der Tunnel bricht nicht so schnell zusammen“, erklärt Dunst. Die beiden Sonnenerde-Geschäftsführer stellten sich schließlich die Frage: Wenn die Ergebnisse im Labor so gut sind, warum probiert es niemand in der Praxis? „Es war für uns ein wenig die typische Henne-Ei-Frage“, lacht Dominik Dunst heute. „Wir haben uns gedacht: Alle reden davon. Wir tun es einfach.“ Doch bei solchen Pionierprojekten müsse man die richtigen Firmen an seiner Seite haben, die ebenfalls mutig genug sind, den Schritt auf neues Terrain zu wagen. 

 

Die Sache mit der ÖNORM

Warum dieser Bau als Pilotprojekt gilt, ist schnell erklärt: Technischer Kohlenstoff ist als Zuschlagstoff (Clim@Add) in Beton und ebenso in Asphalt noch nicht in der ÖNORM aufgenommen. Bei diesem Pionierprojekt bleibt die Letztverantwortung somit bei SONNENERDE. „Aber wir vertrauen der Wissenschaft und sind von Kohlenstoff überzeugt. Wir wollen etwas bewegen und glauben daran“, sind sich die beiden Geschäftsführer einig. Das Ziel ist, dass technischer Kohlenstoff durch dieses Pionierprojekt als Zuschlagstoff in die ÖNORM aufgenommen wird. Damit wäre der klimaschutzgerechte Weg für zukünftige Bauprojekte geebnet. 

 

„Wir sind immer an neuen Materialien im Zusammenhang mit CO2-Reduktion interessiert. Dieses Projekt bietet uns erstmalig die Gelegenheit, Pflanzenkohle in unterschiedlichen Betonsorten unter Realbedingungen anzuwenden.“

DI Hans-Jürgen Zeiler, Wopfinger Transportbeton Ges.m.b.H

 

Teil von etwas Großem

Mit der Firma Wopfinger Beton GmbH hat SONNENERDE ein Bauunternehmen gefunden, das über ein eigenes Labor verfügt. „Und das ist notwendig, denn wenn wir technischen Kohlenstoff dem Beton beimengen, müssen im Vorfeld diverse Tests durchgeführt werden – etwa für die Festigkeit“, beschreibt Dominik Dunst den Vorgang. 

Bislang wurde durch den Zuschlagstoff der CO2-Abdruck um ein Drittel reduziert. „Wir wollen aber die Halle völlig CO2-neutral bauen. Das heißt, wir müssen die Menge an eingebrachtem technischen Kohlenstoff verdreifachen“, erklärt Dominik Dunst. Was ihm dabei besonders wichtig ist: „Wenn wir von Klimaneutralität reden, reden wir davon, dass dabei alles berücksichtigt wurde – bis hin zur Anlieferung und dem Transport. Auch diese Emissionen werden wir kompensieren.“ 

Nicht nur beim Beton wird technischer Kohlenstoff beigemengt. Auch im Asphalt in der gesamten Außenanlage wird er zugefügt. Die Oberwarter Firma Klöcher Bau hat hier bereits in den ersten Versuchsreihen beeindruckende Ergebnisse erzielt. „Auch im Asphalt gehen wir davon aus, dass die Rissbildung durch den Zuschlagstoff reduziert wird“, ist Dominik Dunst überzeugt. Die Vision von CO2-bindenden Straßen scheint noch groß, mit diesem Projekt wird sie aber ein Stück realistischer. „Und Visionen haben SONNENERDE immer vorangetrieben“, wissen die Geschäftsführer. 

Ein langer Weg

Am 2. November 2022 erfolgte der Spatenstich für die 1.800 m2 große klimaneutrale Industriehalle. Bis es so weit war, war es eine Berg- und Talfahrt, erinnern sich die Geschäftsführer. „Wir wollten immer unabhängig bleiben und keine Gesellschafter mit ins Boot holen.“ Mittlerweile sei man gut aufgestellt – die Förderschiene für solche Projekte sei im Burgenland vorbildlich, die Wirtschaftsagentur Burgenland ein toller Partner. Deshalb baue man jetzt, obwohl die Baukosten enorm gestiegen sind. Die 30 %-Förderung über das EFRE Programm decke gerade einmal die Teuerung ab. „Aber die Zeit für Pflanzenkohle ist jetzt und es darf nicht passieren, dass dieser Zug ohne den Pflanzenkohle-Pionier abfährt“, betont Dominik Dunst. 

In diesem ersten Bauabschnitt, der rund sieben Millionen Euro kosten wird, hat sich das Unternehmen darauf konzen-triert, nur jene Bereiche fertigzustellen, um die neue Produktionsanlage von Pflanzenkohle in der neuen Halle in Betrieb zu nehmen. Der zweite Bauabschnitt wird dann nochmals die Größenordnung von rund sieben Millionen Euro ausmachen.  

 

„Die Zukunft der Baubranche liegt in der Nachhaltigkeit. SONNENERDE wagt mit diesem Meilensteinprojekt einen großen Schritt in die richtige Richtung. Wir sind stolz darauf, hier mitarbeiten zu dürfen.“

Florian Tiefenbacher, Gaulhofer Bauplanung GmbH

 

Dienstags um 8 Uhr in Riedlingsdorf

Bei SONNENERDE findet gerade die wöchentliche Baubesprechung mit den beteiligten Firmen statt. „Für uns ist es jedesmal ein Highlight zu sehen, wie motiviert unsere Baupartner sind. Man muss bedenken, dass wir allein bei den Erdarbeiten alles schon für den Endausbau vorrichten mussten. Bereits diese Planung war eine Meisterleistung von den Betrieben“, erklärt Dominik Dunst. Aber was am schönsten ist, ist die Motivation aller, Lösungen im Sinne der CO2-Neutralität und des Klimaschutzes zu finden. Das ist der verbindende Gedanke, den auch die 24 SONNENERDE-Mitarbeiter tragen. „Daran sieht man, was alles möglich ist“, nicken die Geschäftsführer zufrieden. Es muss eben immer nur einer anfangen.


In den Beton und Asphalt wird der CO2-bindende Zuschlagstoff Clim@Add beigemengt.

SONNENERDE Geschäftsführer DI Dominik und Gerald Dunst (Bildmitte) beim Spatenstich mit den beteiligten Firmen sowie der Landes- und Bezirkspolitik

Die neue Industriehalle wird aus Holz hergestellt. Die Betonteile werden mit dem Zuschlagstoff Clim@Add versetzt, der Kohlenstoff bindet.

Auch wir sind bestrebt, in Zukunft unseren Asphalt mit hochwertiger Pflanzenkohle CO2-reduziert  herzustellen.“

Gerhard Horn, Klöcher Bau


Wir bauen mit SONNENERDE

Mit dem Technologieunternehmen CarStorCon hat SONNENERDE den Zuschlagstoff Clim@Add entwickelt, der im Beton eingebracht wird und der Kohlenstoff bindet. Die bautechnische Planung sowie Bauaufsicht leitet die Gaulhofer Bauplanung GmbH, die Klöcher BaugesmbH aus Oberwart ist für die Herstellung der Außenanlage verantwortlich und leistet Pionierarbeit durch die Asphaltierungsarbeiten unter Beimengung von technischem Kohlenstoff. Die Wopfinger Transportbeton Gmbh führt die Betonarbeiten ebenfalls mit dem Zuschlagstoff technischer Kohlenstoff durch. Die Herausforderung einer vorausschauenden Elektroinstallation hat die AZE Technik GmbH aus Dechantskirchen gemeistert. Für die Elektro- und HKLS-Planung zeichnet die Ringhofer und Partner GmbH verantwortlich. Die Installationsarbeiten führt Gebrotech aus Greinbach durch. FP Ablufttechnik ist für die Abluftreinigung verantwortlich. Die ERST Elektro- und Regeltechnik Steiner GmbH wurde mit der Steuerung und dem Schaltschrankbau beauftragt.

Ebenfalls am Bau beteiligt sind: die APE Management GmbH für die Maschinenplanung, Kulmer Bau für die Hoch- und Tiefbauarbeiten (Beton und Holzbau), die LBH GmbH für die Fördertechnik und Förderschnecken, die Next Generation Elements GmbH (NGE) ist der Spezialist für Verkohlungs- & Trocknungstechnik.

 

Aufgrund der großen Nachfrage nach den fruchtbarsten Erden bekommt SONNENERDE eine neue Anlage für die Produktion von Pflanzenkohle. Diese wird das Zehnfache produzieren (jährlich 2.000 t Pflanzenkohle) und somit auch das Zehnfache an CO2 (3.000 t pro Jahr) binden. Die Halle für die neue Anlage umfasst die Größe von 1.800 m2. Es handelt sich vorwiegend um einen Holzbau für den rund 100 Festmeter Holz verwendet werden. 

3,5 Kilometer Haupt- und Energiekabel und 10 Kilometer sonstige Kabel wurden verlegt. 2.100 m3 Klimabeton werden verarbeitet.  Endziel ist, dass die Anlage energieautark betrieben wird. Das erfolgt zum einen durch eine 800 kWp PV-Anlage – auch eine eigene Trafostation ist vorgesehen.  Ebenso soll die überschüssige Wärme, die beim Pyrolyse-Vorgang entsteht, zur Energieversorgung verwendet werden. Die neue Pflanzenkohleproduktionsanlage wird im Juni 2023 in Betrieb gehen. 


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