Reportage

In einem unbekannten Land

Lächeln ist eine unwillkürliche Reaktion, die automatisch eintritt, sobald das Auge über die endlos wirkende Blumenwiese schweift. Begleitet von einem Gefühl, das sich mit Zufriedenheit wohl am besten beschreiben lässt. Erst auf den zweiten Blick ist der helle Schopf zu sehen, der zwischen Flockenblumen und Grashalmen ein wenig hervorblitzt. Erika Schmidhuber sitzt mit ihrem Fotoapparat mitten in der Wiese und macht wieder einmal „Inventur“.

Foto©LEXI

Erika Schmidhuber (am Foto mit Josef Werderits) hat eine zweijährige Ausbildung für biodynamische Landwirtschaft absolviert. Ihre wertvollste Erkenntnis: „Wir müssen die Natur viel mehr in Ruhe lassen und dürfen nicht so viel eingreifen.“

 

Vor 13 Jahren haben Josef Werderits und Erika Schmidhuber im wahrsten Sinn des Wortes auf einem Acker gebaut. Die Eltern des Technikers und Mathematikers hatten einst eine Landwirtschaft betrieben. Auch später wurde das Grundstück in Hannersdorf intensiv landwirtschaftlich genutzt. Monokulturen und Spritzmittel haben den Boden ausgebeutet. „Das hat uns nicht abgeschreckt, hier zu bauen. Wir wollten, dass sich die Natur auf diesem Grund wieder entfalten kann“, erzählt die einstige Kauffrau, die nun in der Pension einen Lebenstraum verwirklicht. Zuerst wurde eine dreireihige Hecke gesetzt. 400 Laufmeter voller Schlehen, Weißdorn, Wildrosen, Schneeball, Kornelkirsche – alles heimische Sträucher. Mit Entstehen des Architektenhauses wurde auch das 7.000 Quadratmeter große Grundstück sukzessive zu einem Lebensraum für Pflanzen und Tiere „ausgebaut“. Herzstück ist für Erika Schmidhuber nicht der „gepflegte“ Bereich mit dem Naturteich um das Haus. Ihr Hauptaugenmerk liegt im hinteren Teil – auf der Wiese. Diese wird nur einmal im Jahr gemäht – abwechselnd wird je ein Drittel als Nützlingsstreifen stehengelassen. Der Bereich im Obstgarten wird zwischendurch immer streifenweise von Josef Werderits und Erika Schmidhuber mit der Sense gemäht. Dafür hat die gebürtige Salzburgerin auch einen Kurs absolviert. „Für mich ist es eine meditative Tätigkeit, vergleichbar mit Yoga“, erklärt sie. Der Natur ein Stück Land zurückzugeben. Das war das Ziel. Und den Artenreichtum zu fördern. Eine große Aufgabe, „aber so einfach umzusetzen“, lächelt Erika Schmidhuber. „Der Mensch muss es nur schaffen, sich zurückzunehmen. Es ist unglaublich, wie schnell sich die Natur ihren Lebensraum zurückerobert, wenn sich der Mensch heraushält.“

Von der Wildtierstation Parndorf haben sie fünf Igel geholt, die in diesem Meer an Laub- und Totholzhaufen prächtig gedeihen. So sehr Erika Schmidhuber die Flora liebt, ihr Herz hängt an der Tierwelt. „Aber das eine geht ja eh nicht ohne das andere“, lacht sie. Als Corona 2020 dazu führte, dass das Reisen des kultur- und sportinteressierten Paares nicht möglich war, begann Erika Schmidhuber ihre Wiese genau unter die Lupe zu nehmen. „Ich habe angefangen, Inventur zu machen“, lacht sie. Sie wollte einfach wissen, was sich denn da so in ihrem Garten an Insekten und Tieren herumtummelt. Mittlerweile hat sie 350 verschiedene Tierarten fotografiert, dokumentiert und gemeldet. Unter all den beeindruckenden Wesen, die sie entdeckt hat, ist die Wildbiene für sie das faszinierendste Geschöpf. 30 verschiedene Arten hat sie bereits bestimmt. Kürzlich hat Erika Schmidhuber eine schwarzbäuchige Tarantel gesehen. Ekel vor Insekten ist ihr fremd. „Ich sehe ihre Schönheit“, sagt sie. Für ihre Naturerkundungen und Aufzeichnungen hat sie den Umweltpreis 2022 vom Land Burgenland erhalten. „Diese Aufmerksamkeit möchte ich nutzen, um die Menschen wachzurütteln, dass wir mehr solcher ‚Inseln‘ schaffen müssen, um wieder eine artenreiche Umwelt zu schaffen. Der erste Schritt wäre, nicht den gesamten Garten zu mähen – schon gar nicht mit Mährobotern, da diese viele Kleintiere verletzen.“ Einfach einen Teil der Wiese wachsen lassen, ab und an zwischen den hohen Grashalmen und Blumen sitzen, dieses unbekannte Land betrachten und davon lernen dürfen.


Umweltpreis 22
Vor zwei Jahren hat Erika Schmidhuber begonnen, die Tierarten in ihrem Garten in Hannersdorf zu fotografieren und zu bestimmen. Dabei hilft ihr die Meldeplattform des Österreichischen Naturschutzbundes
https://www.naturbeobachtung.at

Inzwischen hat sie 350 verschiedene Tierarten bestimmt. Darunter sind:
41 Vogelarten, 44 Tagfalterarten, 15 Hummelarten, 16 Libellenarten, 31 Käferarten, 30 verschiedene Wildbienenarten, Erdkröten, Frösche, Teichmolche und -käfer, Zauneidechse, östliche Smaragdeidechse, Rehe, Fasane, Hasen, eventuell Ährenmaus

Dafür hat sie vom Land Burgenland den Umweltpreis 2022 erhalten.

Das rund 5.000 m2 große Grundstück hinter dem Haus in Hannersdorf ist in verschiedene Bereiche gegliedert. Hinter der Steinmauer beginnt der naturbelassene Teil. Die Wiese (links und nördlich) wird nur einmal im Jahr gemäht. Mittig ist der Gemüsegarten zu sehen. Ein eigener Brunnen sichert die Wasserversorgung. Der Obstgarten (rechts) wird abschnittsweise mit der Sense gemäht, sodass immer genügend Nahrung für die Insekten vorhanden ist.

Gedüngt wird im Gemüsegarten von Erika Schmidhuber nicht. Obst und Gemüse haben einen unverwechselbaren Geschmack. „Die Natur regelt alles selbst.“

Das rund 5.000 m2 große Grundstück hinter dem Haus in Hannersdorf ist in verschiedene Bereiche gegliedert. Hinter der Steinmauer beginnt der naturbelassene Teil. Die Wiese (links und nördlich) wird nur einmal im Jahr gemäht. Mittig ist der Gemüsegarten zu sehen. Ein eigener Brunnen sichert die Wasserversorgung. Der Obstgarten (rechts) wird abschnittsweise mit der Sense gemäht, sodass immer genügend Nahrung für die Insekten vorhanden ist.

Auch im „gepflegten“ Teil beim Haus finden sich immer wieder Bereiche, die „verwildern dürfen“.

Eine Totholzmauer ist der ideale Unterschlupf für Wildtiere.

Die Wiese wird nur einmal im Jahr geschnitten.

Das Grundstück wurde noch vor Baubeginn mit einer dreireihigen, mittelhohen Wild- und Windschutzhecke aus heimischen Sträuchern wie Schlehen, Weißdorn, Kornelkirsche, Schneeball, Wildrosen auf ca. 400 Laufmetern bepflanzt. Das Nachbargrundstück wurde dazugekauft. Zum einen, um mehr Lebensraum für Tiere zu schaffen, zum anderen, um äußere Einflüsse wie Spritzmittel, die durch Niederschläge von benachbarten Feldern einwirken könnten, zu verhindern.

Auszug aus den Fotos von Erika Schmidhuber

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3 Antworten

  1. Liebe Erika! Meine große Hochachtung vor deinem Refugium 👍👍👍
    Einfach traumhaft!!! Die Natur ist ein einziges Wunder,und dieses Wunder ist viel zu wenigen Menschen ein Anliegen !
    Du und dein Mann könnt mehr als stolz auf euer „Werk“ sein.
    Lg hermi 🌻