Reportage

Neues Gesetz erschwert Tierschutzarbeit

Das Land Burgenland plant eine Maßnahme, wonach kastrierte Streunerkatzen nicht mehr mittels
„Ear-Tipping“ (Kennzeichnung am Ohr) markiert werden dürfen. Tierschützer*innen sehen darin eine
enorme Erschwernis, die wertvolle Zeit kostet und auch für die Tiere kräftezehrend ist.

©Bethany Chan_shutterstock.com

Eine Katze mit Kennzeichnung.

Ist Ohr-Kennzeichnung ethisch vertretbar?

„Ear Tipping“ bezeichnet das Kennzeichnen einer kastrierten Streunerkatze durch das Setzen eines Cuts am Ohr. Es ist laut Tierärztin Dr. Marion Wolters aus Hartberg ein „leicht invasiver Eingriff, welcher noch unter Narkose durchgeführt wird.“ Der Zweck ist simpel: Tierschützer*innen können bei den Tieren auf den ersten Blick erkennen, ob diese bereits kastriert wurden oder nicht. Das soll nun laut Veterinärabteilung des Landes Burgenland nicht mehr erlaubt sein. Künftig will man die Kastration der Katzen auf einem Microchip festhalten, welcher den Tieren dann eingepflanzt wird. „Die Frage um die Ethik ist hier natürlich schwierig, aber ein Ohr-Cut ist allemal besser, als eine Katze unnötig sedieren zu müssen“, vertritt Wolters ihre Meinung. Das bundesweite Tierschutzgesetz hat seit einigen Jahren Bestand. Wie die einzelnen Länder es umsetzen, bleibt ihnen überlassen. In der Steiermark war die Kennzeichnung durchs „Tipping“ jedenfalls noch nie zulässig.

Warum ist die Ohr-Kennzeichnung  laut Tierschützer*innen notwendig?

Am Streunerhotspot in Bernstein mit Anita Reicher: Hier tummeln sich einige Streunerkatzen. Reicher hat Glück. Eine kleine getigerte Katze ist in ihre Falle gegangen.  Durch den Cut am rechten Ohr erkennt sie sofort, dass diese schon kastriert ist. Eine Minute später kann die Katze nun wieder freigelassen werden. „Das Ear-Tipping hat für uns Tierschützer bis jetzt wunderbar funktioniert. Für uns war es eine gute Kennzeichnung, dass die Katze bereits kastriert ist und für das Tier bedeutete es weniger Stress“, so Reicher. Laut Land Burgenland stelle aber das Setzen eines Mikrochips die sicherste Methode zur Identifizierung dar.

Das sieht Tierschützerin Anita Reicher anders. Sie selbst fängt jährlich an die 150 Streunerkatzen und bringt sie zur Kastration. Ehrenamtlich, in ihrer Freizeit. Für sie ist das nun eine unverständliche neue Gesetzesvorgabe. Reicher befürchtet, dass man Gefahr läuft, eine bereits kastrierte Katze einzufangen, zum Tierarzt zu bringen, nur um dann dort zu erfahren, dass diese bereits kastriert ist. „Hier geht nicht nur unnötig viel Zeit verloren, auch für die Tiere ist es kräftezehrend. Darüber hinaus werden die Katzen teilweise unnötig sediert. Warum sollte man das machen und vor allem, wer zahlt das?“, so Reicher. Laut Landesveterinäramt gibt es seit 2010 ein einheitliches Bundestierschutzgesetz, welches ein „unnötiges Verletzen“ der Unversehrtheit eines Tieres verbietet. Man dürfte zwar die Geschlechtsorgane mittels Operation entfernen, aber eine Kennzeichnung am Ohr wird verboten. „Anstatt dieses Verbot, welches zwölf Jahre lang ignoriert wurde, ganz aufzuheben, wird es nun umgesetzt. Angeblich ist es eine beschlossene Sache, alle Einwände werden ignoriert“, kritisiert Reicher.

Finanzierung

Offen bleibt auch die Frage der Finanzierung. prima! hat bei der veterinärmedizinischen Abteilung des Landes Burgenland bezüglich Finanzierung der Chiplesegeräte, Fahrtkosten und der Vorgehensweise beim Chip-Lesen nachgefragt, da die Handhabung bislang sowohl für Tierschützer*innen als auch für Tierärzt*innen unklar war. Die Antwort ist ein sehr allgemeines Schreiben zur Katzen-Kastration und zu den Kastrations-Gutscheinen. Zu den konkreten Inhalten der Fragen gibt es von der zuständigen Abteilung keinen Kommentar. Ebenso unbeantwortet bleibt die Frage, wer eine vermeintlich „unnötige“ Sedierung der Katzen nur zum Auslesen des Mikrochips bezahlen muss. Die gesamten Kosten werden wohl an den ehrenamtlichen Tierschützer*innen hängen bleiben.

Die Situation der Streunerkatzen

Selbst engagierte Tierschützer*innen wie Reicher meinen, dass sie den zusätzlichen Aufwand nicht mehr tragen können. „Bislang haben wir die Fahrtkosten, die Fütterungen der Katzen, die Tierarztkosten für Entwurmungen und Co. alles selbst gestemmt. Abgesehen davon, spielt der Zeitfaktor eine tragende Rolle. Wird das Gesetz durchgebracht, können wir das einfach nicht mehr erarbeiten“, meint Reicher. Die Arbeit werde zusätzlich erschwert und auf Dauer nicht mehr zumutbar für die Tierschützer*innen. Fakt ist, dass der Tierschutz vor allem im Südburgenland durch Ehrenamtliche aufrecht erhalten wird. Es ist nun zu befürchten, dass sich viele aus ihrer Tätigkeit zurückziehen. 


Kastrationsgutscheine und die Drittel-Regelung

Seit 2013 gibt das Burgenland Gutscheine für die Katzenkastration aus. Diese sind bei der zuständigen Gemeinde rechtzeitig anzumelden und werden von dieser schließlich ausgegeben. Durch eine Drittel-Finanzierung von Land, Gemeinde und Tierärzt*innen kann somit eine Kastration für Streunerkatzen ermöglicht werden. Dieser Gutschein greift vor allem den ehrenamtlichen Tierschützer*innen unter die Arme, da diese das Fangen, die Kastrationskosten und vieles mehr davor selbst übernommen haben. Jede Katze, die Zugang zum Freien hat, muss laut Gesetz kastriert sein, das gilt auch für Bauernhofkatzen. Lediglich registrierte Zuchtkatzen sind von dieser Regelung ausgenommen.


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