Reportage

Wie viel Ethik steckt in der Milch?

Die aktuellen Nachrichten schockieren ganz Österreich. Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) hat im Bezirk St. Pölten einen Tiermast-Skandal aufgedeckt, der eine horrende Tierqual offenbart. Die Bilder des VGT zeigen das erschreckende und unvorstellbare Ausmaß. Zu sehen sind Tier-Kadaver, Rinder, die bis zum Bauch in ihren eigenen Fäkalien stehen und Vieles mehr.

Foto©Jessica Geyer

Ein Milchbetrieb in Niederösterreich. Die Kälber werden sofort von der Mutter getrennt. Dass diese schreien sei „normal und gehöre eben dazu“, sagt der Jungbauer.

 

„Der Mastbetrieb ist auf männliche Jungtiere aus der Milchproduktion und ‚ausgediente‘ Milchschafe und -ziegen spezialisiert. Die Lämmer, Zicklein und Kälber werden von Milchbetrieben an die Skandal-Mast verkauft, denn männliche Jungtiere kann die Milchindustrie nicht gebrauchen. Auch ausgemergelte Mutterschafe und -ziegen, die ihr Leben lang Milch geben mussten, landen im Mastbetrieb“, schreibt der Verein gegen Tierfabriken in einer Aussendung. Im Zuge dieses Skandals hat prima! die heimische Milchindustrie unter die Lupe genommen.

Ein ganz normaler Tag in einem niederösterreichischen Milchkuhbetrieb. Im Hintergrund ist das Surren der Melkmaschine zu hören. Um die 60 Kühe sind im Stall untergebracht. Normal ist auch, dass ein neugeborenes Kalb gerade von seiner Mutter getrennt wird. Es ist maximal einen Tag alt und schreit. Auf die Frage, wie alt das Jungtier denn sei, kommt die Antwort: „Alt genug“.

Auf der Milchverpackung sehen die Konsument*innen glückliche Kühe. In der Werbung ist die Rede von Tierwohl. Österreich hat einen der höchsten BIO-Standards der Welt, dennoch läuft es in der Milchindustrie „ethisch gesehen alles andere als rosig“, sagt auch der Junior-Chef des Milchbetriebes. Weil er weiß, dass die Milchwirtschaft ein, wie er sagt, „brutales Geschäft“ ist, möchte er lieber anonym bleiben. Seine Erklärungen vor Ort skizzieren jedenfalls ein anderes Bild, als es das Marketing von der „glücklichen Kuh“ vermittelt. Das Kalb wird in der Regel in den ersten 24 Lebensstunden von der Mutter getrennt. Die Nähe von Mutter und Jungtier wird von Beginn an unterbunden. Die Milch, die die Kuh nun produziert, bekommt anfangs zwar das Kälbchen, nach ein bis zwei Wochen aber wird diese bereits für den Verkauf verwendet. Das Kalb bekommt einen Milchersatz. Die weiblichen Jungtiere werden aufgezogen und als Schlachtvieh verkauft oder weiter zu Milchkühen herangezüchtet. „Junge Stiere tragen für die Milchwirtschaft keinen Nutzen, folglich werden sie entweder geschlachtet oder weiterverkauft“, erklärt der Junior-Chef des Milchbetriebes.

Nach der Trennung des Jungtieres von der Mutterkuh, kommt das Kalb in den sogenannten „Kälberstall“. Rund 20 Kälber werden hier zusammengebracht. Etwa fünf Quadratmeter Fläche stehen einem Tier zur Verfügung. Muttertiere haben nicht lange Zeit, sich von einer Schwangerschaft zu erholen. Laut Rinderzuchtverband Burgenland läge der Richtwert hier bei einer Trächtigkeit pro Jahr. Je länger eine Kuh aber „trocken steht“, desto weniger Milch wird diese produzieren. Deshalb sei es üblich, dass die Kuh sehr schnell wieder trächtig wird. Diese häufige Schwangerschaft ist für die Kühe kräftezehrend. Folglich erreichen Milchkühe kein hohes Alter. Grundsätzlich könnten Kühe aus Mutterkuhhaltung bzw. Fleischkühe bis zu 20 Jahre alt werden. Milchkühe hingegen schaffen laut Rinderzuchtverband durchschnittlich fünf bis acht Jahre, bevor sie „ausgedient“ haben und geschlachtet werden. Hier schließe sich der „natürliche Kreislauf“ wieder, heißt es.

Ist BIO so viel besser?

BIO wird mit mehr Tierwohl gleichgesetzt und hat in allen Belangen höhere Standards. Der Rinderzuchtverband bestätigt, dass es in jedem Fall mehr Fläche für die Haltung der Tiere gibt. Außerdem sind Auslauf und Weidehaltung für Bio-Rinder verpflichtend. Jedoch werden die Kälber genau so schnell vom Muttertier getrennt, wie bei einer Nicht-Bio-Haltung, bestätigt der Rinderzuchtverband Burgenland.
Ob die Werbung mit BIO dann gerechtfertigt ist, müssen die Konsument*innen selbst entscheiden. Vor dem Supermarktregal haben diese jedenfalls die Möglichkeit, aus einer großen Palette an Milchprodukten aus den verschiedensten Haltungsformen zu wählen, aber auch an Alternativprodukten, die nicht vom Tier stammen. Jedoch sei so viel gesagt: Bei pflanzlichen Produkten bleibt ihnen die Frage nach dem Tierwohl erspart.


Braucht der Mensch Milch von Kühen?

Der Mensch kann ohne Kuhmilch gesund leben. Im Gegenteil. Viele vertragen Milch gar nicht oder äußerst schwer. Das liegt an der Laktoseintoleranz. Die Zahlen variieren – in Europa sind laut Statista 5 bis 20 Prozent der Erwachsenen laktoseintolerant. Das bedeutet, dass der Milchzucker nicht gespalten werden kann, was schlussendlich zu Verdauungsproblemen führt.

Die Begründung liegt darin, dass die Ausschüttung des Enzyms „Laktase“, welches für diese Aufspaltung verantwortlich ist, mit dem Alter weniger, wird. Oft bleibt sie gänzlich aus oder hat bei manchen Menschen von vornherein nie stattgefunden.


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