Reportage

„Wir wünschen uns mehr Wertschätzung“

Energiekrise, Lockdownbeschränkungen, Mitarbeitermangel, Behördenkontrollen, erschwerende Auflagen – Unternehmer haben in den letzten Jahren enorm zu kämpfen gehabt. Alte Geschäftsmodelle waren von einem Tag auf den anderen nicht mehr gefragt. Flexibilität und der Mut in neue Ideen zu investieren, waren und sind gefordert. Die Wirtschaftskammer (WK) Oberwart hat Unternehmerinnen und Unternehmer zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Ein Stimmungsbild.

(c) LEXI

Diskussionsrunde auf Einladung der WK Oberwart: Markus Kneisz, Unternehmerin und Regionalstellenobfrau Tanja Stöckl,
Bäckerei-Besitzer Heinz Bayer, Unternehmerin Stefanie Schermann
und WK-Regionalstellenleiter Peter Pratscher

 

Vier Unternehmerinnen und Unternehmer. Vier unterschiedliche Branchen. Aber alle haben mit den gleichen  Problemen zu kämpfen: Mehrkosten durch die gestiegenen Energiepreise, höhere Lohnkosten und ein extremer Mitarbeitermangel, denn Work-Life-Balance stehe bei der neuen Arbeitnehmer-Generation vor dem Bedürfnis nach einem sicheren Job. So der übereinstimmende Tenor. Hinzukommt ein Wettbewerbsvorteil bei der Mitarbeitersuche von Branchen, die Homeoffice ermöglichen können. Ein Bäckereibetrieb oder ein Transportunternehmen kann seine Mitarbeiter nun einmal nicht ins Homeoffice schicken. Das Image vereinzelter Branchen leidet. Was auch deutlich angesprochen wird, ist ein unfairer Lohnwettbewerb vom Land Burgenland durch den Mindestlohn von 2.000 Euro netto. Das sei für Kleinstunternehmer nicht zu stemmen. Damit nicht genug, setzt den Unternehmerinnen und Unternehmern zu, dass an ihnen ein Image haftet, das noch nie so schlecht war. Die Organisation der Arbeitnehmer sehe sie als Feindbilder, die Mitarbeiter als Absahner und Ausbeuter, der Staat als Melkkuh, die Kundschaft als Bittsteller. 

Warum also sich das alles überhaupt antun? 

Trotzdem zeigt sich in dieser Gesprächsrunde aber auch ein weiteres klares Bild: Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer sieht sich für sein Team verantwortlich. Keiner und keine würde sein Unternehmen von sich aus aufgeben – trotz enormer Belastung und einer 60- bis 70-Stundenwoche. Jede und jeder geht einen individuellen Weg, um die Krisen bewältigen zu können. „Wenn du heute nicht flexibel bist, bist du weg vom Fenster“, sagt Tanja Stöckl. Sie führt nicht nur eine Tankstelle in Mariasdorf. Sie ist als Regionalstellenobfrau der WK Oberwart auch Initiatorin und Gastgeberin dieser Gesprächsrunde. Was sie alle eint, ist, dass sie wissen, wie es ist, hinzufallen und mit Krisen konfrontiert zu werden. Das Entscheidende dabei ist aber, wieder aufzustehen. 

Unter diesem Motto veranstaltet die Wirtschaftskammer Oberwart am 4. Mai ein Event, zu dem alle Mitglieder eingeladen sind. Die Botschaft dabei ist WK-Regionalstellenleiter Peter Pratscher wichtig: „Die Unternehmer der Region zu treffen, ihnen zu vermitteln, welche Serviceleistungen es von der WK gibt und dass sie nicht allein sind.“ 

prima! war bei dieser Diskussionsrunde im Vorfeld dabei und hat die Grundstimmung eingefangen. 

Bitte auf Augenhöhe

Heinz Bayer hat es satt, dass die Schere zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer weiter auseinandergeht. „Wir Unternehmer sind immer die schwarzen Schafe. Aber wir müssen auch alles schlucken und sind die Melkkuh der Nation“, sagt er. 

Er führt sieben Filialen der Traditionsbäckerei Bayer mit der Zentrale in Wolfau. Es sei gut und richtig, dass die Arbeitnehmer eine starke gesetzliche Vertretung haben und ihre Anliegen durchsetzen. „Aber was ist mit den Unternehmern? Kollektivverhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern werden nicht auf Augenhöhe geführt. Mitarbeiter gehen auf die Straße, wenn die Lohnerhöhungen nicht durchgehen. Wann tut dies der Unternehmer für seine Anliegen?“, stellt Heinz Bayer viele Fragen in den Raum.  

Die Energiekrise hat er nur deshalb gut überstanden, weil er bereits vor 25 Jahren begonnen hat, seinen Betrieb nachhaltig auszurichten. „Was mich bei der Diskussion um die Energiepreise gewundert hat, ist, dass alle Unternehmer das hingenommen haben. Die Kleinstunternehmen gehen pleite. Ich ärgere mich, dass die Burgenland Energie den Energiepreis um 23 Cent pro kWh als super günstig verkauft, aber bei anderen Anbietern sogar nur 15 Cent möglich sind. Und das im angeblich stromautarken Burgenland.“ Auch hier klagt er über fehlende Partnerschaften für die Unternehmer. 

Homeoffice und unfaire Kontrollen

Einen starken Partner braucht auch Stefanie Schermann an der Seite. Sie führt mit ihrem Vater das Erdbau & Recycling sowie Transportunternehmen Schermann in Grafenschachen und ist für rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. „Die Debatte über die 30 Stunden-Woche und Homeoffice schadet jenen Betrieben, wo das nicht möglich ist“, sagt sie. Die Branche leidet. Mittlerweile findest du keinen Österreicher mehr, der LKW fahren will. Hinzu kommen Kontrollen, die immer strenger und aufwendiger werden. Der Betrieb werde automatisch an den Pranger gestellt. Bei Behördenprüfungen ziehen die Unternehmer mittlerweile einen Rechtsanwalt hinzu, weil diese extrem belastend sind, sagt sie. „Kontrollen sind schon ok“, sagt auch Markus Kneisz, Inhaber der Karosserie Reparaturwerkstatt „Wir reparieren dein Auto“ in Unterwart. „Aber wir wollen vorm Staat und den Behörden keine Bittsteller sein. Wir wollen respektiert werden“, betont er. 

Mitarbeitermangel

Was wie ein Damoklesschwert über den Köpfen aller Unternehmer schwebt, ist das Thema Mitarbeitermangel. „Das gilt quer durch alle Branchen“, weiß WK-Regionalstellenleiter Peter Pratscher. Viele Aufträge müssen jetzt noch fertiggestellt werden. Das sei ein Ausfluss aus der Corona-Zeit, wo Projekte stillgestanden seien. Das werde jetzt nachgeholt. Mitarbeiter werden daher dringend gesucht. Wenn diese Aufträge erledigt sind, werde auch die Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern nicht mehr so extrem hoch sein. Das Pendel würde dann wieder in die andere Richtung ausschlagen. Der Mitarbeiter müsse sich dann auch wieder mehr um einen Job bemühen, wagt Pratscher eine Zukunftsprognose. Dennoch bleibt die Frage: Wo sind sie jetzt, die potenziellen Mitarbeiter? 

Jede Branche suche Lehrlinge, weiß Heinz Bayer. „Warum gibt es in solchen Zeiten dann auch noch überbetriebliche Lehrwerkstätten? Man muss sie ja nicht abschaffen, aber die öffentliche Hand sollte mithelfen, die jungen Menschen in die Betriebe zu bringen“, lautet sein Vorwurf.

Stefanie Schermann sieht das Problem auch in der Einstellung zur Arbeit, die sich  grundlegend geändert habe: „Ich merke es allein schon bei den Praktikanten. Die Motivation fehlt.“ Für sie persönlich sei es als Jugendliche immer normal gewesen, im Betrieb mitzuarbeiten. Heute zählen bei der neuen Arbeitnehmergeneration die Rechte mehr als die Pflichten, sagt sie. 

Work-Life-Balance also auf Kosten der Arbeitgeber? 

„Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft“, erklärt Tanja Stöckl. „Work-Life-Balance ist legitim. Es passt nur nicht mit den Bedürfnissen der Unternehmer zusammen. Denen geht gerade die Luft aus und wenn das passiert, ist der Wohlstand aber auch gefährdet.“ Was sie bei ihren Besuchen bei regionalen Unternehmen merkt, ist die Bereitschaft vieler zu verkleinern, weil die Umsätze sinken oder Mitarbeiter ausbleiben. „Das System wird sich dann wieder umkehren. Der Wert des Unternehmers und des Arbeitplatzes wird dann auch hoffentlich wieder mehr geschätzt.“

Mindestlohn

Im Burgenland hat das Land mit der Einführung des Mindestlohns für Bedienstete des Landes und landesnaher Betriebe neue Regeln vorgegeben. Die Unternehmer sollen nachziehen, ohne dass man einen Plan vorlegt, wie das umzusetzen sei. „Wenn ein Land das will, dann soll es doch bitte auch für die Unternehmer beispielsweise die Lohnnebenkosten senken. Wir alle wünschen uns für unsere Mitarbeiter mehr Netto am Gehaltszettel. Die Politik hat es in der Hand. Aber sie kann nicht entscheiden und der Unternehmer soll es ausbaden“, sagt Markus Kneisz. Auch die Debatte über eine Vier-Tage-Woche verschlechtere das Image der Unternehmen in jenen Branchen, wo das nicht möglich ist. „Ich müsste einen Zwei-Schicht-Betrieb fahren. Wie soll ich denn dafür die doppelten Löhne zahlen?“, wirft er auf. 

Die Sache mit der Kommunikation

Dass der Chef am Wochenende oft arbeitet, um die Arbeitsplätze zu erhalten, damit wollen die Unternehmerinnen und Unternehmer die Mitarbeiter gar nicht belasten. Dass das Image dennoch so schlecht ist, schmerzt. „Du spürst, wenn sich ein Mitarbeiter innerlich bereits verabschiedet“, sagt Tanja Stöckl. Auch wenn es viele Mitarbeiter nicht glauben wollen – gerade bei Kleinst- und Kleinunternehmen gilt: Der Chef verdient erst am Ende. Und ein kurzer Vergleich zeigt: Der Großteil bekommt nicht einmal den Mindestlohn.

Die Leidensfähigkeit der Unternehmerinnen und Unternehmer ist groß. Der Druck, der auf ihren Schultern lastet, ebenso. Ihre Botschaft ist klar: „Wir halten das aus. Aber wir wehren uns gegen die fehlende Wertschätzung und das ständige Hinhacken.“ Was sie sich wünschen, ist ein konstruktiver Diskurs mit den Organisationen der Arbeitnehmer, den Mitarbeitern und den Kunden. Denn Fakt ist: Die Kleinst- und Kleinunternehmen sichern die Arbeitsplätze und den Wohlstand in der unmittelbaren Region. In der Debatte um Work-Life-Balance, Vier-Tage-Woche, Mindestlohn etc. möchten sie nicht vergessen werden. Und: Sie wollen nicht mit großen Konzernen verglichen werden, für die andere Spielregeln gelten. Wenn den Kleinstunternehmern nämlich die Luft ausgeht und es den Dienstleister ums Eck nicht mehr gibt, ist jegliche Form der Wertschätzung zu spät. 


Diskutiert haben: 

Markus Kneisz: Im Vorjahr hat er sein neu gebautes Unternehmen „Wir reparieren dein Auto“ in Unterwart eröffnet. Mit seiner App hat er seine Kfz-Karosserie-Reparatur-Werkstatt ins digitale Zeitalter geführt. Er beschäftigt 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

Tanja Stöckl: Sie ist Inhaberin einer der modernsten Tankstellen in Österreich. Neben der Voll-Servicestation führt sie als Nahversorger ein regionales Warensortiment, 24/7 Automaten, Poststelle bis hin zu einem Kaffeehaus als regionaler Kommunikationstreffpunkt. Sie ist verantwortlich für fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Tanja Stöckl ist außerdem WK Oberwart Regionalstellenobfrau.

Heinz Bayer: Er führt die Traditionsbäckerei mit Sitz in Wolfau bereits in vierter Generation und hat sieben weitere Bäckereien & Café-Filialen. Bereits vor Jahren hat er den Betrieb auf Nachhaltigkeit umgestellt. Seit 2021 ist er als Bio-Betrieb zertifiziert. Er beschäftigt rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

Stefanie Schermann: Sie ist Geschäftsführerin der Schermann Erdbau & Recycling GmbH und gemeinsam mit der Schermann Transport & Baumaschinen GmbH hat das Familienunternehmen in Grafenschachen rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Peter Pratscher: Er ist WK Oberwart Regionalstellenleiter und hat gemeinsam mit Regionalstellenobfrau Tanja Stöckl die angeführten Unternehmerinnen und Unternehmer zur Diskussion eingeladen. „Wir möchten als WK die Unternehmerinnen und Unternehmer wieder vermehrt zur Diskussion zusammenführen und schauen, wo wir Themenfelder abdecken und unterstützen können.“


„Wir wollen einen Diskurs mit der Arbeitnehmerseite auf Augenhöhe“


Unternehmer:innen in volatilen Zeiten

HINFALLEN IST KEIN PROBLEM, LIEGEN BLEIBEN SCHON!

Einladung der WK Oberwart zum Wirtschaftsvortrag 

4. Mai 2023, 18.30 Uhr

Wirtschaftskammer Oberwart

Raimundgasse 36, 7400 Oberwart

Vortragender: Dr. Wilfried Drexler


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