Reportage

Zeitreise in die Vergangenheit – Ein Vierkanthof mit Geschichte

Vor knapp zehn Jahren erwarben Renate Muchitsch und ihr Mann Werner einen 150 Jahre alten Vierkanthof in Ollersdorf. Es handelt sich dabei um ein Haus mit Geschichte, da es bis zum Zeitpunkt des Kaufes nie entrümpelt wurde. Muchitsch selbst ist pensionierte Friseurin, widmet ihre Freizeit aber schon seit Jahrzehnten der Kunst. Inspiration findet sie dabei in ihrem 7.300 Quadratmeter großen Garten und in den vielen Ecken ihres Hauses, das so viel Geschichte in sich trägt.

Foto©LEXI

Der Innenhof des Hauses lädt mit seinen vielen Kunstwerken und Sitzmöglichkeiten zum Verweilen ein.

 

Als „eine ständige Reise durch die Zeit” beschreibt Renate Muchitsch den Vierkanthof, den sie gemeinsam mit ihrem Mann eigenhändig umgebaut hat. Über viele Monate hinweg räumten die beiden das Haus aus und fanden dabei niemals entsorgte Gegenstände. Der Dachboden war mit Zeitungen aus vorhergegangenen Jahrhunderten gefüllt, wodurch sie auch einen Einblick in beide Weltkriege erhielten. Zudem lernte das Paar viel über den traditionellen Hausbau vergangener Zeiten. Im Haus gab es auch zahlreiche Antonio-Statuen, über deren Bedeutung Muchitsch zunächst rätselte. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um den Hilfspatron der Suchenden handelt. Überall da, wo sie eine Statue entdeckten, fanden sie „Notgroschen” in Form von Münzen, die für schwierige Zeiten von den Vorbesitzern zurückgelegt wurden.

Wohn- und Arbeitsbereich in einem

Der ursprüngliche Wohnbereich des Hauses wurde kaum verändert und zum Atelier der Künstlerin, bestehend aus einer Wohnküche und einem separaten Raum, der vor allem vor ihrem Pensionseintritt genutzt wurde. Muchitsch war nämlich lange selbstständige Friseurin, die Kunst war jahrzehntelang nur ein Hobby. Die Kreativität, die der Musiker und die Künstlerin in sich tragen, ließen sie in den Umbau des offenen „Stadls” fließen. Bis auf kleinere Arbeiten, die alleine nicht zu bewältigen waren, haben Renate und Werner Muchitsch alles selbst umgebaut und restauriert – ohne davor etwas dergleichen gemacht zu haben. Der Wohnbereich besteht aus einer offenen Küche, einem Esszimmer und dem daran grenzenden Wohnzimmer. Im Obergeschoss befindet sich mit der großen Galerie ein Bereich zum Musizieren und das „Fledermauszimmer”, wie es von den beiden genannt wird. „Beim Entrümpeln waren in diesem Bereich des Hauses nämlich unzählige Fledermäuse. Daran erinnert auch heute noch eine Plüsch-Fledermaus, die von der Decke hängt”, so Renate Muchitsch.

Ein Garten, so groß wie ein Fußballfeld

Der 7.300 Quadratmeter große Garten ist übersät mit Blumen, Gemüsebeeten und Obstbäumen. Aus 35 Apfelbäumen wird vom Ehepaar Most hergestellt und aus den Trauben im Innenhof produzieren sie ihren eigenen Wein. Der Schwimmteich, mit einer Tiefe von vier Metern, ist der Mittelpunkt des Gartens. Um so autark wie möglich leben zu können, haben die beiden seit dem letzten Jahr eine Photovoltaik-Anlage. Der Brennofen in Dauerbenutzung benötigt nämlich eine Menge Energie. „Ehrlich gesagt bin ich aber immer froh, wenn es regnet”, so die Künstlerin. Dann widmet sie sich ihrer Leidenschaft – dem Arbeiten mit Ton.

Kunst als Leidenschaft

Frauenkörper ziehen sich als zentrales Motiv durch die Arbeiten von Renate Muchitsch. Der Altweibersommer hat es der Künstlerin besonders angetan. Passend dazu ist sie heuer das erste Mal Ausstellerin beim Brauchtums- und Handwerksmarkt Kramuri im Schloss Kohfidisch (Infokasten, S.31), der am 23. und 24. September unter diesem spätsommerlichen Motto veranstaltet wird. Der Altweibersommer verweist auf Spinnweben, die im Morgentau wie verlorene Haarnetze alter Frauen in den Sträuchern und Gräsern hängen und dabei im Sonnenlicht glänzen. „Im Schlossgarten wird dieses Thema wunderbar zum Ausdruck kommen“, freut sich Muchitsch auf den Event.

Figuren und Motive

Die Natur, das Altern und der bewusste Umgang mit der Welt sind ebenfalls zentrale Themen, die sich in den Werken von Renate Muchitsch widerspiegeln. Die Figur der „Mutter Erde” fällt dabei sofort ins Auge. Auf einer Bank im Innenhof sitzend strahlt die Figur Wärme aus, während sie den Bauch, der die Erdkugel symbolisiert, mit den Händen umschließt. „Es zeigt meine Angst um die Umwelt und die Erde generell”, so die Künstlerin. Wenn sie eine Frau porträtiert, beginnt Muchitsch immer mit den Augen, da sie diese als Spiegel der Seele betrachtet. Die Frauenköpfe, die sie „Jahreszeiten” nennt, sind für die Allrounderin ein Ausdruck des Alterns. Während der Frühling das jüngste Gesicht hat und Aufbruchsstimmung signalisiert, erkennt man beim Herbst bereits mehr Struktur auf der Haut und einen Ausdruck, der melancholisch wirkt. Bei allen vier Köpfen wurden anstelle der Haare saisonales Obst oder Pflanzen aus Ton gezeichnet, welche die Wirkung der Jahreszeiten noch einmal unterstreichen.

Ein Naturtalent

„Eigentlich sollte die Bezeichnung für Menschen, die mit Ton arbeiten, nicht Töpfer heißen, sondern Tonbauer, denn man baut jedes Kunstwerk vom Schwerpunkt auf. Mit Berücksichtigung der Statik und allem, was notwendig ist”, so Muchitsch. An vielen ihrer Kunstwerke arbeitet sie tagelang. Dabei bezeichnet sie sich selbst als Autodidaktin, da die Künstlerin nie eine Ausbildung oder einen Kurs zur Arbeit mit dem Ton absolviert hat. Ein Werk liegt der Wahl-Ollersdorferin besonders am Herzen – ihr „Selbstporträt”. In einer depressiven Phase wollte sie eigentlich eine Figur machen, die ihr ideales Selbst darstellen sollte: eine kraftvolle, starke Frau. „Egal, wie lange ich aber gearbeitet habe – die Figur wollte sich nicht aufrichten. Am Ende habe ich realisiert, dass ich mich in meiner Situation selbst porträtiert habe”, so Muchitsch. Auffällig ist, dass einige der Kunstwerke eher traurig wirken. Dazu meint sie: „Sie weinen, damit ich lachen kann”. Man kann also von einer Form der Verarbeitung für die Künstlerin sprechen. Unabhängig davon, welche Botschaft die Figuren und Werke vermitteln – die Kunst ist es wert, sich auf eine Zeitreise mit ihr einzulassen.

 


Renate Muchitsch und ihr Mann Werner haben sich ihr Traumhaus selbst geschaffen. Gemeinsam bildet das Ehepaar ein unschlagbares Team. Das sieht man auch an der Gestaltung des Gartens.

Der Innenhof des Hauses lädt mit seinen vielen Kunstwerken und Sitzmöglichkeiten zum Verweilen ein.

Frauen in allen Formen und Farben gehören zu den beliebtesten Kunstwerken Muchitsch. Diese wird man auch beim Kramuri bestaunen können.

Die Mutter Erde ist eines der wichtigsten Werke für die Künstlerin.

Selbstporträt

Den „Stadl“ hat das Paar in Eigenarbeit zu einem Zuhause gemacht. Auf zwei Ebenen verteilt befindet sich der Wohnbereich des Hofs.

Die Jahreszeiten symbolisieren Frauen jedes Alters. In mehreren Generationen von Frauen ist der Lauf des Lebens hier veranschaulicht worden.

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