Bericht

Steiermark plant Solarparks auf Ackerland

Unabhängigkeit ist ein großes Thema. Auf ein Land bezogen, gibt es vor allem zwei Ziele: Unabhängigkeit in der Nahrungsproduktion und Unabhängigkeit in der Energieversorgung. Was aber, wenn sich beide Ziele im Einzelfall ausschließen? Das Land Steiermark könnte mit der Nutzung von Landwirtschaftsflächen für PV-Anlage genau diese Diskrepanz schaffen. Und so läuft es auf die Frage hinaus: Erzeuge ich auf einer Fläche regional Nahrung oder Strom?

Foto©Volker Muether/shutterstock.com

PV-Anlagen auf Ackerflächen – das ist auch in der Steiermark auf „Vorrangflächen“ geplant.

 

In der Agenda 2030 wurde festgehalten, dass Österreich energieautark werden soll und zwar mit alternativen Energien. Um dies zu erreichen, müssen etliche infrastrukturelle Anpassungen vorgenommen werden, damit die alternativen Energien ausgebaut werden können. Die Steiermark hat dazu ein Sonderprogramm erstellt, das die Errichtung riesiger Solarparks, sogenannte PV-Freiflächenanlagen fördern soll. Die Vorgehensweise wäre eine Umwidmung eines geeigneten Areals durch die jeweilige Gemeinde. Das wurde damit aber umgangen und von Landesseite aus sogenannte „Vorrangflächen“ mit einer Größe von mindestens zehn Hektar geschaffen (zum Vergleich: 1 ha entspricht etwa einem Fußballplatz). Diese – in Summe immerhin 825 Hektar in der gesamten Steiermark – sind laut Landesgutachten „minderwertige Flächen“, d.h. mit „mäßiger Ertragsfähigkeit“. 

Ein wesentliches Problem bei dieser Ausweisung ist allerdings, dass als Grundlage Kartenmaterial genommen wurde, das aus den 1960er- und 1970er-Jahren stammt, also keinesfalls aktuell ist. „Dabei hat sich in den letzten 50 Jahren viel getan. Zum einen von der Fähigkeit des Bewirtschaftens her, zum anderen weil die Bauern zum Teil aktiven Humusaufbau betrieben haben“, gibt Herbert Lebitsch, Obmann der Landwirtschaftskammer Hartberg-Fürstenfeld zu bedenken. Im Klartext heißt das: Normal bewirtschaftete Flächen werden durch das Programm nun als Vorrangflächen ausgewiesen. Von den 825 Hektar PV-Vorrangflächen werden aktuell 400 Hektar landwirtschaftlich genutzt. Zwar sind sie nur als „mittelwertig“ eingeschätzt, jedoch bezieht sich diese Einstufung auf ganz Österreich und somit sind „mittelwertige“ Flächen oft die besten, die vor Ort verfügbar sind. Fehler, die durch Einbeziehung der Gemeinde, der Kammer oder der Grundeigentümer im Vorfeld hätten vermieden werden können und die sich nun in vermehrten Stellungnahmen niederschlagen dürften. Für diese lief die Frist bis 24. März. Inwieweit sie einbezogen werden und das Sachprogramm verändern, ist zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Das Land Steiermark sieht das weniger dramatisch und beruhigt, dass für einen Landwirt die Ausweisung seiner bewirtschafteten Fläche als Vorrangfläche kein Problem sei: „Wer diese Sondernutzung nicht in Anspruch nehmen will, für den ändert sich nichts. Er kann allerdin gs den betroffenen Grund auch nicht anderweitig umwidmen lassen“, so Andrea Teschinegg vom Referat 13 der steirischen Landesregierung, die die rechtliche Seite des Sonderprogramms betreut. „Schwierig wird es bei den Pachtbauern. Die brauchen das gepachtete Land als Existenzgrundlage. Für einen Verpächter können die Preise, die die Energieanbieter im Wettkampf um die besten Flächen momentan bieten, allerdings sehr attraktiv erscheinen“, gibt der frühere Kammerobmann Johann Reisinger, dessen Landwirtschaft bei St. Johann in der Haide ebenfalls vom Sonderprogramm betroffen ist, zu bedenken.

Kammer mahnt zur Vorsicht vor Vertragsabschlüssen

Und tatsächlich können Preise von 5.000 Euro pro Hektar und Jahr an Pacht locken, wobei bei 25 Energieanbietern manch einer meint, der Preis könne sogar noch nach oben gehen. Doch Herbert Lebitsch mahnt auch hier zur Vorsicht: „Man muss beachten, wenn man bei einem Anbieter unterschrieben hat, hat man sich festgelegt und kann den Preis nicht mehr beeinflussen. Dazu kommt, dass eine solchermaßen verpachtete Fläche nicht mehr als landwirtschaftliche, sondern als gewerbliche Fläche gezählt wird, was die Grunderwerbsteuer massiv ansteigen lässt. Bei erhöhtem Einkommen wird zudem eine erhöhte Einkommensteuer fällig. Also man kann sich darauf einstellen, dass man insgesamt nur mit etwa der Hälfte des Pachtertrags als Gewinn rechnen kann.“ 

Weiters gilt es zu bedenken, dass die Pachtverträge zwar langfristig – es geht um etwa 20 bis 25 Jahre – sind, aber auch enden. Schon vor Vertragsabschluss sollte daher vereinbart werden, was mit den PV-Anlagen nach Vertragsende geschieht: Gehen sie in den Besitz des Grundeigentümers über oder muss der Erbauer die Fläche rückumbauen? Insgesamt rät der Kammerobmann dazu, den rechtlichen Service der Kammer in Anspruch zu nehmen, um jeden Vertrag vor Abschluss noch einmal prüfen zu lassen.

 

Einwände gegen Standorte und Vorgehen

Sonnenenergie ist umweltfreundlich, unabhängig vom Ausland – kurzum die perfekte Lösung für eine langfristige Energieversorgung. Sollte man meinen. „Ich bin überhaupt nicht gegen Solarenergie“, meint Johann Reisinger, der zusammen mit dem Verein energypeace rund um den früheren Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark DI Dr. Heinz Kopetz viele Einwände nicht gegen die Energieform, wohl aber gegen die Umsetzung im Sonderprogramm vorbringt. Zum einen sei der Gesamtstrombedarf nicht als absolute Summe zu sehen, sondern in Bedarfsspitzen und Deckungsspitzen aufzufächern. Meint konkret: Man solle sich vor Augen führen, wann wir genug Strom haben, wann wir mehr brauchen. Bedarf ist demnach vor allem in den Wintermonaten. „Mit den ausgewiesenen Vorrangflächen in den Ebenen bekommt man aber kaum Winterstrom aufgrund des vielen Nebels, der hier vorherrscht“, so Reisinger. Im Sommer zur Mittagszeit, also genau dann, wenn die großen Solarparks auch besonders viel liefern, haben wir jetzt schon eher eine Überproduktion. Solange es keine geeigneten groß angelegten Speichermöglichkeiten gibt, können wir folglich nicht viel damit anfangen, zumal die Leitungen auch nicht auf so viel Kapazitäten ausgelegt sind. Der Gegenvorschlag wäre, Anlagen in Hanglagen und insgesamt höheren Lagen zu errichten. Hier fällt das Nebelproblem weg, zudem erhöht sich der Wirkungsgrad solcher Anlagen im Winter bei Schnee durch die Reflexion der Sonnenstrahlen über den Schnee noch zusätzlich. Außerdem würden damit nicht wertvolle landwirtschaftlich gut genutzte Flächen verschwinden, denn die höheren und Hanglagen sind lang nicht so intensiv bewirtschaftbar. Das Problem hierbei ist, dass mit dem derzeitigen Stand des Leitungsausbaus gerade die höheren Lagen nur schwer erschließbar sind, es fehlen Leitungen und Trafostationen, die hier auch nicht leicht zu errichten sind.

 

Lage im Burgenland

Wo die Steiermark erst noch hinkommen möchte, ist das Burgenland schon: als Vorreiter in Bezug auf alternative Energien. Bereits 2021 wurden 1.200 Hektar Eignungszonen gewidmet, in einer Novellierung kamen 2022 noch einmal knapp 900 Hektar hinzu. Die meisten dieser ausgewiesenen Flächen sind entweder schon mit Solarparks bebaut oder zumindest in der konkreten Planung begriffen. So wird in Nickelsdorf die größte PV-Freiflächenanlage Österreichs mit 100 MW in Betrieb gehen. Peter Zinggl, Leiter der Landesplanung im Amt der burgenländischen Landesregierung, geht darüber hinaus davon aus, dass über Dachflächenbebauung in den nächsten Jahren noch weitere 700 bis 800 Hektar für PV-Anlagen zusätzlich erschlossen werden können. 


Lesen Sie dazu auch >> Start des SonnenParks in Nickelsdorf


Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Antworten