Bericht

Zu gut für den Müll

Einer Studie des Instituts für Abfallwirtschaft zufolge gibt es allein in Österreich jährlich
eine Lebensmittelverschwendung von über einer Million Tonnen. Eine unglaubliche Zahl
an Lebensmitteln, die auf allen Stationen, die zwischen Erzeugung und Genuss liegen,
anfallen. Etwa die Hälfte entsteht dabei zu Hause.

© ZvG Bäckerei Ringhofer

Die Bäckerei Ringhofer beteiligt sich an der „Too Good To Go“-Initiative und stellt entsprechende Überraschungssackerl zusammen.

 

Im Rahmen der UN-Nachhaltigkeitsziele zur Halbierung der vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Haushalten und auf Handelsebene hat sich die österreichische Regierung verpflichtet, diese Lebensmittelabfälle zu halbieren sowie unnötige Verschwendung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu vermeiden. Das hört sich gut an. Doch wie kann das konkret umgesetzt werden? prima! hat sich beispielhaft zwei Stationen im Verkauf und in der Erzeugung angesehen.

„Bei uns wird generell gar nichts weggeworfen“, sagt Alexandra Imrek von der Bäckerei Ringhofer in Pinkafeld und Oberwart. Sie erläutert, dass alte Semmeln zu Bröseln verarbeitet werden und in der Filiale in Pinkafeld alles, was an Eßbarem am Samstag übrig ist, an die „Team Österreich Tafel“ geht. Und dann gibt es seit einiger Zeit noch das „Too Good To Go“ (=TGTG)-Sackerl. Hier kommen Montag bis Freitag alle Waren hinein, die abends noch übrig sind. Das sind meist belegte Brötchen, aber auch Plunder. Macht das Sackerl dann den gemeinnützigen Organisationen Konkurrenz? Elisabeth Strasser von TGTG erläutert: „Nein, wir raten auch der Kundschaft möglichst die sozialen Organisationen zu bedenken. Doch vielfach ist dies schwierig, da Liefer- und Kühlketten eingehalten werden müssten und gesetzliche Vorschriften die Weitergabe erschweren. Also momentan ist die einzige Alternative zu unserem TGTG-Sackerl oft die Mülltonne.“ Alexandra Imrek von der Bäckerei hakt nach: „Es ist auch nicht so, dass wir uns mit dem Sackerl selbst Konkurrenz machen würden. Unsere normale Kundschaft schätzt es nämlich, sich ihre Waren aussuchen zu können. Durch die Sackerl erschließen wir jedoch neue Kundenschichten, die sich unser hochwertiges und damit höherpreisiges Sortiment im Normalfall nicht leisten würden. Dafür haben sie eben keinerlei Einfluss auf die Auswahl.“ 

Länderübergreifende Initiative

TGTG selbst ist übrigens kein primär österreichisches Unternehmen. Gegründet wurde es vor sieben Jahren von dänischen Studierenden, die nicht hinnehmen wollten, dass das Mensaessen nach Betriebsschluss, obwohl es noch gut war, einfach weggeworfen wurde. Inzwischen gibt es TGTG in 15 europäischen Ländern, dazu in den USA und in Kanada. Seit der Markteinführung in Österreich vor dreieinhalb Jahren wurden bis jetzt insgesamt sechs Millionen Sackerl ausgegeben. In der Steiermark sind das 940.000, die in den 744 steirischen Partnerbetrieben vor dem Wegwerfen gerettet wurden. Die 192 burgenländischen Partnerbetriebe haben bislang 147.000 Sackerl ausgegeben. Partnerbetriebe sind einerseits Filialen der großen Supermarktketten, aber andererseits auch kleine Betriebe wie Bäckereien, Konditoreien, auch Hotels und Tankstellen. Um an ein Sackerl zu kommen, muss man sich die App herunterladen und vorab per Paypal oder Kreditkarte zahlen. Der Sackerlpreis wird vom Betrieb selbst ausgegeben, er beträgt immer ein Drittel des enthaltenen Warenwertes. Je nachdem, wie viel liegen geblieben ist, werden mehr oder weniger Sackerl ausgegeben. Auch hier verwaltet der Betrieb sein Auftreten in der App selbst. Unabhängig vom Sackerlpreis, den der Kunde zahlt, gibt es eine fixe Vermittlungsgebühr, die der Betrieb an TGTG zahlt; in Höhe von 1,19 Euro. Hat man damit der Lebensmittelverschwendung bereits Einhalt geboten? Elisabeth Strasser ist zuversichtlich: „Umfragen haben ergeben, dass durch den Kauf von TGTG-Sackerl das Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln steigt und die im Sackerl enthaltenen Waren auch wirklich konsumiert und nicht weggeworfen werden. Die Hoffnung ist natürlich, dass das Bewusstsein auch für andere Lebensmittel steigt.“

Rettenswert und Krumme Dinger

Auch große Supermärkte, Ketten und Discounter sind sich des Problems der Lebensmittelverschwendung bewusst. Die Initiative „Rettenswert“ von Hofer zum Beispiel setzt früh an. Nämlich nicht bei den fertigen Erzeugnissen, sondern bei den Rohprodukten. Hier gibt es bislang eine hohe Überschussproduktion. „Die Gründe dafür sind vielfältig. Viel Obst und Gemüse weicht etwa von der Größennorm ab, ist unförmig oder entspricht nicht den ästhetischen Ansprüchen, obwohl es qualitativ hochwertig ist. Neben Fehlplanung und Überproduktion verursachen auch schwierig planbare Szenarien wie beispielsweise Unwetter, dass Lebensmittel mit bester Qualität weggeworfen werden müssen. Da Überschüsse oftmals punktuell und spontan außerhalb von etablierten Lieferketten anfallen, entsteht ein vergleichsweise viel größerer Aufwand, um sie in der Wertschöpfungskette zu erhalten“, klärt Cathleen Völkel von Hofer auf. Hofer hat sich hier mit dem Unternehmen „Unverschwendet“ zusammengetan, um genau diese Überschüsse zu Produkten wie Chutneys oder Marmeladen zu verarbeiten. Laut Völkel ist man dabei bemüht, auf Regionalität zu achten, indem „auch Zwischenverarbeitungsschritte (z.B. unschöne gerettete Tomaten passieren) so regional wie möglich stattfinden“. Bislang hat das Projekt, das im Oktober des vergangenen Jahres gestartet wurde, rund 100 Tonnen an Lebensmitteln weiterverwendet. 

Daneben bietet Hofer übrigens auch „Krumme Dinger“ an. Das sind „nach Verfügbarkeit auch Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern, das ansonsten nicht in den Handel gelangen würde. So stärkt Hofer mit den ‚Krummen Dingern’ lokale Erzeuger und verringert die Lebensmittelverschwendung sowie mögliche wirtschaftliche Verluste der Lieferanten. Weiters kommt Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern in der Produktion von Säften, Püree und anderen verarbeiteten Lebensmitteln zum Einsatz“, erklärt Cathleen Völkel und fährt fort: „Eine weitere Initiative von Hofer ist der Erklärungshinweis ‚Datum überschritten? Ich bin häufig länger genießbar.’ Die Kennzeichnung findet sich auf immer mehr Lebensmitteln wie beispielsweise Backwaren, Teigwaren, Cerealien und Fruchtsäften. Denn viele Produkte sind auch nach dem Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums noch genießbar.“ Etwas, das natürlich nicht nur bei Hofer gilt.

Lebensmittelverschwendung ist klimabelastend

Die genannten Beispiele zeigen, dass der Verschwendung von Lebensmitteln in Österreich bereits der Kampf angesagt wird, was mehr als notwendig ist. Laut einem WWF-Bericht ist sie nicht nur teuer und ökonomisch sinnlos, sie treibt durch vermehrtes Abfall- und Entsorgungsaufkommen sowie durch überflüssig bewirtschaftete Flächen auch die Treibhausgasemissionen in die Höhe und wird damit zur unnötigen Klimabelastung. 

Doch neben allen Initiativen, die von Erzeugern und verkaufenden Betrieben gestartet werden, muss vor allem auch ein Umdenken beim Endkunden einsetzen. So kann jeder und jede Einzelne durch einen bewussteren Konsum einen persönlichen Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung leisten – ohne nennenswerte Einbuße an Lebensqualität.  


Die einzelnen Produkte der „Rettenswert“-Linie von Hofer. Sie werden von der Firma „Unverschwendet“ möglichst regional erzeugt und retten damit Lebensmittel von Produzentenseite vor der Entsorgung.

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