PERMA@school – Relationships
Meine heutige Kolumne möchte ich mich einem Zitat von einem der renommiertesten Hirnforschern und Entwicklungsbiologen im deutschen Sprachraum, Gerald Hüther, beginnen: „Ohne Sicherheit bietende Beziehungen entwickeln Kinder keine sicheren Bindungen, und ohne sichere Bindungen können sich Kinder nicht zu eigenständigen, sozial kompetenten und verantwortlichen Persönlichkeiten entwickeln.“
Foto© Michaela Resetarics
Mag. Michaela Resetarics, Msc ist Pädagogin und Gesundheitswissenschafterin. Sie implementiert das PERMA-Modell regelmäßig in ihrem Unterricht.
Der dritte Bereich von Seligmans Wohlbefindens-Konstrukt PERMA, der mit den ersten beiden eng gekoppelt ist, ist die Ebene „Relationships“, was so viel meint wie positive Beziehungen. Diese sozialen Kontakte und auch Vernetzungen sind inspirierend, geben Energie und beruhen auf wechselseitigem Interesse und Wertschätzung der beteiligten Personen. Ein wesentlicher Faktor, welcher nicht nur in der Familie, sondern auch im Schul- und Unterrichtsalltag sehr wichtig ist, ist Vertrauen. Gezielte positive Interventionen können das Vertrauen der Schüler:innen zu den Lehrpersonen , und auch umgekehrt aufbauen und – was noch wichtiger ist – aufrecht erhalten. Vertrauen macht Kinder stark!
Reinhard Kahl beschreibt 2008 den Aufbau von Vertrauen von Kindern mit einigen Fragen, wie „ob Kinder freudig begrüßt oder missbilligend gemustert werden beim Ankommen in der Schule?“ bzw. ob sie „zum Leben eingeladen“ oder ihnen „mit dem sogenannten späteren Leben gedroht wird“. Vertrauen ist die Grundlage für Kooperation und das Zulassen von Nähe.
Das Schulsystem in Deutschland und auch in Österreich genießt leider kein großes Vertrauen – die Bildung liegt sozusagen „im Misstrauenstal“. Und auch beim Aufbau eines soliden Vertrauens den Bildungseinrichtungen gegenüber können regelmäßig angewandte Interventionen der Positiven Psychologie einen großen Beitrag leisten.
Schweer & Bertow gehen davon aus, dass Vertrauen und Schulleistungen in einem engen Beziehungsgeflecht zueinander stehen, wobei bereits 2001 die persönliche Zuwendung der Lehrer:innen, die fachliche Kompetenz und Hilfe, der Respekt gegenüber den Lernenden und die Zugänglichkeit der Lehrpersonen als die wesentlichen Verhaltensbereiche definiert werden.
Die letzten Jahre in der Pandemie mit allen Restriktionen und Vorschriften haben uns allen gezeigt, wie sehr wir Menschen doch soziale Wesen sind. Es ist vielen von uns, vor allem den Kindern und Jugendlichen, richtig schwergefallen, mit den Kontaktbeschränkungen umzugehen, obwohl diese in gewissem Maße für unsere physische Gesundheit wichtige Maßnahmen waren. Aber das heißt ja leider nicht, dass es unserer Psyche auch guttut.
Positive Kommunikation ist die Basis für funktionierende, positive Beziehungen…dazu gehört ein ganz alltägliches Verhalten: Freundlichkeit.
Unseren Schüler:innen gefallen die Pausen wirklich gut. Für mich sind das genau diese Minuten des Schultages, in denen ich mit Freude beobachte, dass sich die Jugendlichen mit Mitschüler:innen aus anderen Klassen in der Aula oder im neu gestalteten Pausenhof treffen und ungezwungen tratschen, jausnen, Zeit verbringen – und sich dabei bestimmt in positiver Kommunikation üben – ganz unbewusst.
Diese überwiegend freundlichen Begegnungen geben den Jugendlichen wieder Energie für die nächsten Herausforderungen im Unterricht. Freundlichkeit ist eine der sechs Tugenden im Feld der Charakterstärken, die in der Positiven Psychologie aufgestellt werden. Sie ist eng verflochten mit positiven Emotionen und emotionaler Intelligenz und eine essenzielle Voraussetzung gelingender Beziehungen.
Für Barbara Fredrickson sind die Bausteine positiver Beziehungen Mikromente positiver Resonanz. Voraussetzung für diese speziellen Momente ist ein Gefühl von Sicherheit und Verbindung.
Genau aus diesem Grund verbringe auch ich immer wieder mal meine Pausenzeit in den allgemeinen Aufenthaltsräumen, um diese positiven Begegnungen zu beobachten und fordere auch meine Schüler:innen auf, diese gute Stimmung in den Klassenraum mitzunehmen. Um eine gute, stabile Beziehung zu gewährleisten, ist das Verhältnis von positiven zu negativen Interaktionen von großer Bedeutung. In einer doch eher „negativitätslastigen“ Gesellschaft müssen wir uns darin üben, positive Begegnungen zu vermehren – ein Verhältnis von 5:1 wäre perfekt. Auch das ist doch recht gut vermittelbar, weil unsere Kinder danach streben, zufrieden und glücklich zu sein. Wenn der Effekt der regelmäßig ausgeübten Interventionen gespürt wird, ist die Eigendynamik dieser nicht zu bremsen – ein echter GAMECHANGER 😉
„Freundlichkeitsübung“
Bei dieser Übung sollen die Schüler:innen mindestens dreimal pro Woche gezielt eine freundliche Tat durchführen, wie z.B. jemandem die Tür aufhalten, beim Jausenbuffet die anderen zuerst bestellen lassen, unaufgefordert die Tafel löschen, einem Klassenkameraden/einer Klassenkameradin ein Kompliment machen uvm. Die Schüler:innen können sich auch selbst ihre Freundlichkeitstaten ausdenken – am Ende des Monats gibt es eine Reflexionsrunde, wo über die Erfahrungen und Wahrnehmungen gesprochen wird.
Sowohl jene Kinder und Jugendlichen, die die Freundlichkeitstat ausführen, als auch jene, die sie empfangen, sollen dadurch positive Gefühle erleben. Schenken macht Freude und womöglich reagiert die beschenkte Person wertschätzend, erfreut oder überrascht und diese Gefühle können übertragen werden.
Begrüßung mit Resonanz
Diese Übung soll von Lehrer:innen durchgeführt werden. Zu Beginn jeder Stunde werden für ein Begrüßungsritual zwei Minuten investiert. Es gibt dafür mehrere Möglichkeiten: namentliches Begrüßen jedes Kindes (hängt von der Klassengröße und der Schulstufe ab) mit Blickkontakt oder ein individuelles Ritual, das mit den Schüler:innen partizipativ erarbeitet wurde. Alle in der Klasse sind aufmerksam und wissen, dass die Stunde beginnt.
Die Übung wird von der Lehrperson angeleitet, hat aber eine positive Wirkung auf alle in der Klasse und das Klassenklima. Mit dem Begrüßungsritual wird ein Zeichen der Wertschätzung gesetzt. Die Stimmung und die Beziehungen sind positiv, eine gute Grundlage für das Lernen.
Michaela Resetarics implementiert diese Interventionen regelmäßig in ihren Unterricht und fördert somit die psychosoziale Gesundheit ihrer Schülerinnen und Schüler.
„Stop focusing how stressed you are and remember how blessed you are.“
„Veränderung braucht MUT“
Lesen Sie dazu auch das Interview über das PERMA Modell mit Prof.(FH) Mag. Dr. Erwin Gollner, MPH MBA, Leiter des Departments Gesundheit an der FH Burgenland
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